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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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alles dafür geben, es nicht tun zu müssen oder es aufschieben zu können, aber ich muss es dir um deiner eigenen Sicherheit willen sagen.«
»Dale!«
Sie saß auf ihrem Frisierstuhl, halb vom Spiegel abgewandt. Er kam zu ihr und fasste ihre Hände.
»Bitte vergiss nicht, dass ich hasse, was ich jetzt tun muss, und dass ich alles in der Welt geben würde, um es nicht zu tun. Ich habe all die Jahre nichts gesagt, aber so geht es nicht weiter, weil du nicht mehr sicher bist.«
Sie zog ihre Hände weg. Sie waren kalt. Sie blickte zu ihm auf und sagte:
»Bitte sag es mir, Dale.«
»Ich muss es tun.« Stöhnend wandte er sich ab und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. »Es geht um Rafe. Du kannst nicht länger mit ihm zusammen sein so wie bisher, es geht nicht.«
Lisle hob den Kopf. Rasch sagte sie:
»Was meinst du damit, Dale?«
»Nicht, was du denkst, ein solcher Dummkopf bin ich nicht. Rafe flirtet mit jeder, aber das bedeutet nichts.«
»Er flirtet nicht mit mir. Und glaubst du etwa, ich würde dabei mitmachen?«
»Natürlich nicht, Liebling, das habe ich nicht gemeint. Ich sagte doch schon, darum geht es nicht.«
»Was hast du dann gemeint?«
Er ging zum mittleren Fenster und drehte sich dann zu ihr um.
»Lisle, ich versuche es dir zu sagen: Kannst du bitte einfach zuhören und nichts sagen? Rafe … er war für mich immer wie ein jüngerer Bruder. Er und Lal, wir waren wie Geschwister. Keiner von uns kann sich daran erinnern, einmal ohne die anderen gewesen zu sein. Rafe ist der Jüngste. Wir drei sind keine drei Jahre auseinander, aber selbst ein Jahr macht in der Kindheit einen großen Unterschied. Er war derjenige, auf den man aufpassen musste, ihn aus der Patsche herausholen, all solche Sachen. So ging es, bis Lal und ich heirateten. Lal heiratete Rowland Steyne und ich heiratete Lydia. Damit blieb Rafe allein übrig. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht. Erst später wurde mir klar, dass er völlig aus dem Gleichgewicht war vor Eifersucht. Er war achtzehn, hatte nichts zu tun, war fertig mit der Schule, aber noch nicht in Cambridge, und er mochte Lydia nicht.«
Er ging wieder auf und ab, an Lisle vorbei, dann zurück, blieb stehen und sah sie an. Es war ein gequälter Blick.
»Lisle, hat dir schon mal jemand von Lydias Unfall erzählt?«
»Ja.« Sie musste ihre trockenen Lippen befeuchten, bevor sie etwas sagen konnte.
»Wer?«
»Rafe und Mrs Mallam.«
»Was haben sie dir erzählt?«
»Rafe sagte, sie stürzte. Er sagte …«
»O ja, sie stürzte, die arme Lydia. Es war eine schreckliche Sache. Vergiss, was er dir erzählt hat. Ich werde dir die Wahrheit sagen. Ich habe es nie jemandem erzählt, aber jetzt muss ich es sagen. Wir waren nicht Bergsteigen, weißt du, dafür war Lydia nicht kräftig genug. Wir spazierten nur einen dieser kurvigen Wege entlang – Rowland und Alicia und Lydia und ich, die Mallams und Rafe. Wir gingen in Grüppchen. War man um eine Kurve gegangen, dann konnten die anderen einen nicht mehr sehen, so war der Weg. Einen Moment waren alle zusammen, im nächsten jeder für sich. Wir kamen zu einer Stelle, wo der Weg eine Ausbuchtung in den Berg hinein bildet. Wenn man in dieser Bucht stand, konnte man weder von denen, die vor einem gingen, noch von denen, die hinter einem waren, gesehen werden. Lydia und ich und die Steynes waren gleichzeitig dort. Rafe war weitergegangen, und die Mallams waren ein gutes Stück zurückgeblieben. Zur Bergseite des Weges war ein sanft ansteigender Hang, aber an der Talseite ging es steil hinab. Lal und ihr Mann gingen den Hang hinauf, Blumen pflücken. Lydia und ich blieben allein. Da schickte sie mich zurück, um nach den Mallams zu sehen. Ich dachte mir dabei nichts Böses und ging. Aber kaum war ich um die erste Kurve, die zweite lag direkt vor mir, als ich den Schrei hörte …« Er unterbrach sich. »Lisle, es war schrecklich. Ich hatte ihn noch monatelang im Ohr. Als ich um die Kurve zurückkam, war sie weg. Da war nur ein abgerissener Busch, daran muss sie sich festgehalten haben, die Arme, aber er war nicht fest genug. Und genau da, wo sie gestürzt war, stand Rafe und starrte ihr nach.«
»Dale!« Ihre Lippen brachten das Wort kaum heraus.
Er selbst sprach mit einer Ruhe, die sie mehr abstieß, als jeder Wutausbruch es vermocht hätte.
»Er hat sie hinabgestoßen. Ich habe es nie bezweifelt, und ich vermute, Lal auch nicht. Wir haben nie darüber gesprochen. Ich weiß nicht, ob sie etwas gesehen hat. Ich konnte sie nicht fragen, sie war

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