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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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kannte sie. Er drehte ihr den Rücken zu, als er sie sah. Er hatte seine Ehefrau dabei. Und dann kam Jan auch schon wieder zurück und drückte ihr ein Glas in die Hand.
    »Cheers«, sagte er und trank von seinem Sekt.
    Fiona kippte das Glas wortlos in einem Zug runter. Sie hatte nicht mitgezählt. Vielleicht war es ihr fünfter, vielleicht ihr achter Sekt. Sie hatte einfach Lust, sich zu betrinken.
    Und ab diesem Zeitpunkt wurden ihre Erinnerungen sehr blass. Hatte Jan ihr etwas ins Glas getan? Oder jemand anders? Es war so voll gewesen. Dauernd war man angerempelt worden. Dauernd stand man irgendwem auf dem Fuß. Sie glaubte zu wissen, später noch mit Mòrag gesprochen zu haben. Sie glaubte sich zu erinnern, mit einigen anderen Leuten geredet zu haben. Aber wo war Jan hingegangen?
    »Du musst mir helfen«, sagte Fiona, die Suppe ignorierend. »Wann hast du mich zuletzt gesehen?«
    »Bevor ich mit Astrid geredet habe. Wir sind ins Büro nach hinten gegangen, ich wollte sie überreden, eine Doku mit mir zu machen«, sagte Mòrag.
    »Nein, nein, wir haben doch noch geredet!« Fiona rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Ihre Hände waren eiskalt. »Bist du dir sicher? Bitte denk nach!«
    Mòrag sah sie verwundert an. »Wie kommst du darauf?« Sie setzte sich zu Fiona und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Als ich wieder in den Ausstellungsraum kam, warst du verschwunden. Ich dachte, du wärst mit irgendeinem Typen abgezogen.«
    Fiona schüttelte den Kopf. »Nein, nein, wir haben geredet, ich bin mir ganz sicher. Hast du diesen Jan noch gesehen?«
    »Jan?«
    »Ich hab dir von ihm erzählt, dieser Student aus Berlin…Hab ich nicht von ihm erzählt?«
    »Mit dem du bei ›Valvona and Crolla‹ warst?«
    »Genau der.«
    »Ah! Warte, ist er nicht irgendwie mit Astrid bekannt?«
    »Ja! Erinnerst du dich an ihn?«
    »Er saß nachher mit uns im Büro…Aber nur kurz. Und ich kann dir auch nicht mehr genau sagen, wann das war.« Sie lächelte Fiona an. »Alles wird gut, ganz bestimmt. Und jetzt iss mal was, bevor es wieder kalt wird. Du bist immer noch ganz bleich.« Damit stand sie auf und verließ Fionas Zimmer.
    Fiona schleppte sich zum Schreibtisch und fing an zu essen. Die Dosensuppe roch nicht nur langweilig, sie schmeckte auch so. Nach der Hälfte gab sie auf und ließ erschöpft den Löffel in die Suppe sinken. Sie fühlte sich noch schlapper als vor dem Essen, und auf ihrer Stirn hatte sich Schweiß gebildet. Also streckte sie ihre Arme auf die Tischplatte, legte ihren Kopf darauf und schloss die Augen. Mòrag, die treueste aller Freundinnen…Wenn sie gestern nur nicht diese Idee mit der Doku gehabt hätte, wäre sie bei Fiona geblieben und alles wäre gut. Fiona und Mòrag waren seit zwei Jahren fast jeden Tag zusammen. Jemand hatte sie damals einander vorgestellt, weil sie beide auf Wohnungssuche waren und sich eine Wohnung allein nicht leisten konnten. Eine junge Frau im selben Alter, ebenfalls in einem kreativen Beruf – das war Fiona sehr entgegengekommen. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch, und Mòrags offensichtliche Begeisterung für Fiona schmeichelte ihr. Nicht viel später hatten sie diese wunderbare Wohnung in der Forth Street in Broughton entdeckt und sogar bekommen. Und nach und nach hatte Mòrag immer mehr von Fionas Stil übernommen. In Kleidung und Make-up waren sie sich von Anfang an ähnlich gewesen. Mòrag änderte eigentlich nur ihre Frisur, und schon waren sie überall als die verrückten Zwillinge bekannt. Manchmal, wenn sie auf Mòrag angesprochen wurde, tat sie so, als sei sie ein bisschen genervt von ihr, verdrehte schon mal die Augen oder seufzte. Nur um allen klar zu signalisieren, wer von den beiden den Ton angab. In Wirklichkeit war es oft genug Mòrag, die einen neuen Style ausprobieren wollte oder die eine durchgeknallte Idee für die nächste Party hatte.
    Fionas Kopf wurde immer schwerer, die Gedanken purzelten durcheinander. Wenn Mòrag doch nur bei ihr geblieben wäre, war das Letzte, was sie dachte, bevor sie einschlief.

Salzburg, Januar 1980
     
    Frederik versteckte sich hinter der aktuellen Ausgabe des Standards. Trotzdem hatte ihn bestimmt mindestens die Hälfte der Gäste des Café Bazar erkannt. Sein Bild war vor ein paar Tagen in jeder Boulevardzeitung gewesen, gleich neben Berichten über Volker Schlöndorff und Günter Grass und die »Blechtrommel«, weil es wieder mal einen Preis für den Film gegeben hatte. Sogar auch in einigen der seriösen Blätter

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