Das alte Königreich 01 - Sabriel
Ampferhöhe ein. Die ersten waren die Scouts, allesamt Bogenschützen und Chartermagier. Ihnen folgte der erste Trupp Infanterie mit aufgesteckten Bajonetten und schussbereiten Gewehren. Oberhalb des Gasthauses nahmen sie Pfeilformation ein. Horyse, Sabriel, Touchstone und ihr Fahrer stapften ihnen nach. Ihnen wiederum folgten die beiden anderen Trupps und die Funker, die Feldtelefondraht von einer großen sperrigen Trommel abwickelten.
Es war still unter den Korkeichen. Die Soldaten bewegten sich so leise sie konnten und verständigten sich mit Handsignalen. Nur ihre schweren Schritte und hin und wieder das Klirren von Rüstung oder Ausrüstung unterbrachen die Stille.
Sonnenschein fiel golden zwischen den Bäumen herab, verlor jedoch bereits seine Wärme wie ein butterfarbener Wein, der bloß Geschmack und kaum Alkoholgehalt hat.
Nur die Scouts marschierten in Richtung der Hügelkuppe. Der vordere Trupp Infanterie folgte einer niedrigeren Höhenlinie um die Nordseite; die beiden anderen Trupps gruppierten sich südwestlich und südöstlich davon und bildeten so ein Verteidigungsdreieck um den Hügel. Horyse, Sabriel, Touchstone und der Fahrer stiefelten weiter.
Etwa zwanzig Schritt unterhalb der Kuppe endete der Baumbewuchs, und dichtes Unkraut, darunter hohe Disteln, breitete sich aus. Am höchsten Punkt befand sich der Grabhügel: ein massives, hüttengroßes Rechteck aus graugrünen Steinen. Die zwölf Scouts verteilten sich rundum. Vier von ihnen stemmten bereits einen der Ecksteine mit einer Brechstange heraus, die offenbar zu diesem Zweck mitgeschleppt worden war.
Als Sabriel und Touchstone heran waren, gab der Stein nach, polterte herunter und deckte weitere Steinblöcke auf. Im selben Augenblick wurde jeder Chartermagier von Ohrensausen und Schwindelgefühlen heimgesucht.
»Haben Sie das gefühlt?«, fragte Horyse unnötigerweise, denn es war jedem Einzelnen anzusehen. Alle blickten erschrocken drein und hatten die Hände auf die Ohren gedrückt.
»Ja«, antwortete Sabriel. Es war ein Gefühl, wie die gebrochenen Steine im Reservoir es verursacht hatten. »Es wird noch schlimmer, fürchte ich, je näher wir zum Sarkophag kommen.«
»Wie weit ist es hinein?«
»Vier Block tief, glaube ich«, antwortete Sabriel. »Oder fünf. Ich habe es aus einer… nun, ungewöhnlichen Perspektive gesehen.«
Horyse nickte und bedeutete den Scouts, sich wieder mit den Steinen zu beschäftigen. Die Männer strengten sich an, doch Sabriel entging nicht, dass sie immer wieder heimlich nach dem Stand der Sonne blickten. Alle Scouts waren Chartermagier von unterschiedlicher Kraft – und alle wussten, was der Sonnenuntergang bringen würde.
In fünfzehn Minuten hatten sie ein Loch herausgestemmt, zwei Block breit und zwei tief. Die Übelkeit nahm zu. Zwei der jüngeren Scouts, Männer Anfang zwanzig, hatten sich heftig übergeben und eine Rast einlegen müssen. Die anderen arbeiteten langsamer und mühten sich, ihr Mittagessen im Magen zu behalten und das Zittern ihrer Gliedmaßen zu beruhigen.
Wenn man ihren Mangel an Schlaf und ihre allgemeine Erschöpfung bedachte, fiel es Sabriel und Touchstone erstaunlich leicht, den Wogen der Übelkeit aus dem Grabhügel zu widerstehen. Hier auf dem Hügel schien noch die Sonne, und eine frische Brise wehte, die gleichermaßen wärmte und kühlte, so dass die beiden nicht von jener kalten, finsteren Furcht befallen wurden wie in den Tiefen der gespenstischen Zisterne.
Als schließlich die dritten Blöcke entfernt waren, rief Horyse zu einer kurzen Pause auf. Alle zogen sich hügelab bis zur Baumgrenze zurück, wohin ihnen die kräftezehrende Aura des Grabhügels nicht folgen konnte. Die Funker hatten das Feldtelefon angeschlossen und es auf die umgedrehte Trommel gestellt. Horyse griff danach, wandte sich jedoch Sabriel zu, ehe der Funker die Kurbel zum Aufladen drehte.
»Müssen irgendwelche Vorbereitungen getroffen werden, ehe wir die letzten Blöcke entfernen? Magische, meine ich.«
Sabriel überlegte kurz, kämpfte gegen ihre Müdigkeit, und schüttelte schließlich den Kopf. »Ich glaube nicht. Sobald wir Zugang zum Sarkophag haben, müssen wir ihn vielleicht mit einem Zauber öffnen – dazu brauche ich die Hilfe aller. Danach folgen die Letzten Riten für den Körper – der übliche Einäscherungsspruch. Zu dem Zeitpunkt wird es ebenfalls Widerstand geben. Haben Ihre Männer oft gemeinsame Chartermagie durchgeführt?«
»Leider nicht«, antwortete Horyse
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