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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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spöttischen Mogget vorlieb nehmen musste. Gewiss, er hatte auch seine guten Seiten, zum Beispiel, wenn es darum ging, bewusstlose oder schlafende Menschen zu bewachen. Er hatte ihr versichert, das Chartersymbol auf der Stirn des Galionsmannes überprüft und herausgefunden zu haben, dass dieser nichts mit Freier Magie oder Nekromantie zu tun hätte.
    Sabriel hatte damit gerechnet, dass der Mann noch schlief; deshalb war sie überrascht und ein wenig besorgt, als sie eine Gestalt am Schiffsbug stehen sah, die in die entgegengesetzte Richtung blickte. Eine Sekunde lang zuckte ihre Hand um den Schwertgriff, dann sah sie Mogget in der Nähe auf der Reling liegen.
    Sabriel näherte sich neugierig und ängstlich zugleich, denn bei Fremden musste sie Vorsicht walten lassen. Der junge Mann sah gekleidet anders aus, älter und ein wenig einschüchternd, vor allem, weil er die schlichte Kleidung gegen einen Kilt aus goldgestreiftem Rot ausgetauscht hatte und dazu passende Gamaschen trug, die in umgestülpten hohen Stiefeln aus rotbraunem Wildleder steckten. Doch er trug Sabriels Hemd und war gerade dabei, in ein rotes Lederwams zu schlüpfen, das über abnehmbare geschnürte Ärmel verfügte, mit denen er offenbar Schwierigkeiten hatte. Zwei Degen lagen in Dreiviertelscheiden neben seinen Füßen; die scharfen Spitzen ragten etwa vier Zoll aus dem Leder. Einen breiten Gürtel mit den dazu passenden Schlaufen hatte er bereits um die Leibesmitte geschlungen.
    »Diese verflixten Schnüre«, brummte er, als Sabriel noch etwa zehn Schritt entfernt war. Er besaß eine schöne, ziemlich tiefe Stimme, aus der jetzt aber Unbehagen sprach.
    »Guten Morgen«, grüßte Sabriel.
    Er wirbelte herum, ließ die Ärmel fallen und hätte sich beinahe nach seinen Degen geduckt, ehe er sich fing und die Bewegung in eine Verbeugung umwandelte, die in einem Kniefall endete.
    »Guten Morgen, Mylady«, sagte er rau mit gesenktem Kopf. Er achtete darauf, ihr nicht in die Augen zu blicken. Sie sah, dass er Ohrringe gefunden hatte, große goldene Reifen, die er durch seine durchbohrten Ohrläppchen gesteckt hatte, allerdings nicht sehr geschickt, denn sie waren blutig. Davon abgesehen konnte sie nur seinen Lockenkopf von oben sehen.
    »Ich bin keine ›Mylady‹«, entgegnete Sabriel und fragte sich, welcher von Miss Priontes Etikette-Grundsätzen auf diese Situation zutraf. »Ich heiße Sabriel.«
    »Sabriel? Aber Ihr seid die Abhorsen«, sagte der Mann bedächtig.
    »Nein, mein Vater ist Abhorsen«, entgegnete sie mit einem strengen Blick auf Mogget, der die Katze davor warnte, sich einzumischen. »Ich bin nur eine Art Vertreterin. Es ist ein wenig kompliziert, darum werde ich es später erklären. Und wie heißt du?«
    Er zögerte, dann murmelte er: »Ich kann mich nicht erinnern, Mylady. Bitte, nennt mich – nennt mich Touchstone.«
    »Touchstone?« Es klang vertraut, doch Sabriel wusste nicht, woher. »Aber das ist doch der Name von Narren. Warum willst du dich so nennen?«
    »Weil ich einer bin«, antwortete er tonlos.
    »Nun, irgendwie muss ich dich ja rufen«, fuhr Sabriel seufzend fort. »Also gut, Touchstone, du weißt, dass es traditionell auch weise Narren gibt, also ist der Name so schlimm nun auch wieder nicht. Ich nehme an, du hältst dich für einen Narren, weil du als Galionsfigur gefangen gehalten wurdest – und im Tod natürlich.«
    »Im Tod!«, rief Touchstone aus und schaute Sabriel bestürzt an. Erstaunlicherweise wirkte sein Blick klar, klug und einsichtig. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für ihn, dachte Sabriel und erklärte: »Dein Geist wurde knapp hinter der Grenze zum Tod gehalten und dein Körper als hölzerne Galionsfigur gebannt. Beides muss mit Nekromantie und Freier Magie zu tun haben. Es interessiert mich sehr, weshalb das mit dir geschehen ist.«
    Touchstone wandte den Blick wieder ab. Sabriel glaubte eine Spur von Durchtriebenheit auf seinem Gesicht gesehen zu haben; vielleicht war er aber auch nur verlegen. Sie vermutete, dass die Erklärung, die er jetzt abgeben würde, im besten Fall eine Halbwahrheit war.
    »Ich erinnere mich nicht sehr gut«, sagte er stockend, »obwohl Teile meines Gedächtnisses offenbar wiederkommen. Ich gehöre… gehörte… der Königlichen Garde an. Auf die Königin wurde ein Angriff unternommen… es war ein Hinterhalt am Fuß der Treppe. Ich erinnere mich an einen Kampf mit Klinge und Chartermagie. Wir alle waren Chartermagier, die gesamte Garde. Ich dachte, wir wären sicher,

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