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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Schauer, die sich nie zu Dauerregen entwickelt hatten, so dass die Frühjahrshochwasser früher als üblich nachließen – mit der Folge, dass die Toten jetzt viel weiter umherstreifen konnten, weil sie auf ihrem Weg nicht von fließendem Wasser aufgehalten wurden.
    Sam blickte wieder auf Mogget und zuckte zusammen, als er bemerkte, dass ihn ein im Feuerschein blitzendes Auge beobachtete, während das andere fest geschlossen war.
    »Wie wurdest du verwundet?«, schnurrte der Kater, und seine leise Stimme glich dem Knistern des Feuers. Es klang, als wüsste er die Antwort schon, wollte jedoch irgendetwas bestätigt haben.
    Sam errötete und senkte den Kopf, während seine Hände sich unwillkürlich wie zum Gebet falteten.
    »Ich geriet in eine Auseinandersetzung mit zwei Konstablern. Sie hielten mich für einen Nekromanten… wegen der Glocken…« Er verstummte und schluckte. Mogget starrte ihn mit dem einen Auge spöttisch an.
    »Ich habe sie getötet«, flüsterte Sam. »Mit einem Todeszauber.«
    Längeres Schweigen setzte ein. Mogget öffnete auch das andere Auge und gähnte, dass die scharfen weißen Zähne in seinem roten Mäulchen zu sehen waren.
    »Du Trottel. Du bist dümmer als dein Vater. Ein schlechtes Gewissen!«, sagte er gähnend. »Du hast die Männer nicht getötet.«
    »Was?«, rief Sam.
    »Du kannst sie nicht getötet haben«, versicherte ihm der Kater, der sich mehrmals umdrehte, um mit den Pfötchen das Laub zu einer bequemeren Lagerstatt zusammenzukratzen. »Sie sind auf den König eingeschworene Diener und tragen seinen Schutz selbst vor dessen Kindern. Alle anderen Unschuldigen jedoch wären getötet worden. Sehr unbeholfen von dir, diesen Zauber anzuwenden.«
    »Ich hatte keine Zeit, groß nachzudenken«, entgegnete Sam, dem vor Erleichterung, kein Mörder zu sein, schwindlig wurde.
    »Offensichtlich«, brummte der Kater spöttisch. »Wenn sie gestorben wären, hättest du’s gespürt. Und ausgerechnet
du
bist der Abhorsen-Nachfolger! Die Charter möge uns helfen!«
    Sam unterdrückte eine heftige Antwort, denn er wusste, dass Mogget Recht hatte. Er hatte die Konstabler wirklich nicht sterben gefühlt.
    Der Kater beobachtete Sam mit einem Ausdruck tiefen Misstrauens durch zusammengekniffene Augen.
    »Das totale Chaos«, murmelte er. »Narren, die Narren zeugen…«
    »Was?«
    »Ich hab nur laut gedacht. Nachdenken kann manchmal von Vorteil sein«, flüsterte Mogget. »Du solltest es auch mal versuchen. Weck mich am Morgen.«
    »Sehr wohl, Sire«, antwortete Sam mit so viel Sarkasmus, wie er zu Stande brachte, was jedoch keine Wirkung auf den Kater hatte, der jetzt offenbar wirklich schlief. Sam streckte ihm die Zunge heraus; dann zerrte er, auf seinem unverletzten Bein hüpfend, einen schweren Ast zum Feuer, der bestimmt bis zum Morgen brannte. Vorsichtshalber zog er noch ein paar dürre Zweige in die Nähe.
    Dann legte er sich mit seinem Schwert unter der Hand und Sprosses Sattel unter dem Kopf nieder. Es war eine warme Nacht, darum benötigte er weder seinen Umhang noch die übel riechende Satteldecke. Sprosse schlief in der Nähe. Sam hatte ihr die Zügel um die Vorderbeine gewunden, um zu verhindern, dass sie sich selbstständig machte. Mogget schlief an Sams Seite.
    Sam wollte noch ein wenig wach bleiben, um über einige Dinge nachzudenken, doch ständig fielen ihm die Augen zu. Wenigstens, sagte er sich, kannst du hier unbesorgt schlafen. Sie befanden sich im Landesinneren, nicht allzu weit von Belisaere entfernt. Hier war während des vergangenen Jahrzehnts nichts Schlimmes vorgefallen. Warum sollte es gerade jetzt der Fall sein?
    Trotzdem kann überall viel passieren, überlegte Sam, während der Schlaf trotz all der verstohlenen und geheimnisvollen Geräusche des nächtlichen Waldes ihn zu übermannen drohte. Moggets rätselhafte Worte hatten ihn beunruhigt, und er versuchte immer noch das Grauen, das sich nicht aus seinen Gedanken verbannen ließ, einzuordnen und mit den Geräuschen ringsum zu vergleichen, bis er endlich vor Erschöpfung einschlief.
     
    Sonnenschein, der durch die Baumwipfel drang, weckte ihn. Das Feuer schwelte noch, und der Rauch breitete sich in allen Richtungen aus und strich über Sams Gesicht.
    Mogget, der sich in seinem Laubbett zu einem weißen Ball zusammengekuschelt hatte, schlief noch.
    Sam gähnte und versuchte aufzustehen. Er hatte sein verwundetes Bein vergessen. Es war über Nacht so steif geworden, dass er stürzte und einen Schmerzensschrei

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