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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Zügel und plagte sich, die Stute auf die Beine zu ziehen, aber er war zu schwach.
    »Beeil dich!«, drängte Mogget und strich um ihn herum. »Du weißt, was du tun musst.«
    Sam nickte und sah sich nach den Toten um. Es waren mindestens zwanzig schwerfällige Wesen, die in der zunehmenden Dunkelheit nur schattenhaft zu erkennen waren. Ihre Meister hatten sie von einem fernen Totenacker gerufen und sogar durch den Sonnenschein vorangetrieben. Deshalb waren sie jetzt langsam, wenn auch unerbittlich. Wenn Sam nur eine Minute länger bliebe, würden sie sich auf ihn stürzen wie Ratten auf einen erschöpften Hund.
    Er zog seinen Dolch und betastete Sprosses Hals. Der Puls ihrer Hauptschlagader fühlte sich unter seinen Fingern schwach und unregelmäßig an. Er legte den Dolch an, stieß jedoch nicht zu.
    »Ich kann es nicht«, flüsterte er. »Vielleicht erholt sie sich ja wieder.«
    »Die Toten werden ihr Blut saufen und ihr Fleisch fressen!«, rief Mogget. »Das hat sie nicht verdient. Stich zu!«
    »Ich kann sie nicht töten… kann ihr nicht einmal den Gnadenstoß geben«, entgegnete Sam, der wackelig auf den Füßen stand. »Ich werde bei ihr bleiben.«
    Mogget fauchte; dann sprang er über Sprosses Nacken und zog mit einer Pfote einen Strich weißen Feuers über den Hals des Pferdes. Plötzlich schoss Blut wie eine Fontäne aus der Schlagader des Tieres und spritzte auf Sams Stiefel. Warme, klebrige Tropfen regneten ihm ins Gesicht. Sprosse schauderte heftig – und starb.
    Sam spürte, wie es mit ihr zu Ende ging. Er drehte den Kopf zur Seite, um die dunkle Lache nicht sehen zu müssen, die sich unter ihr bildete.
    Etwas stupste seine Wade. Mogget trieb ihn an. Blindlings drehte Sam sich um und stolperte zur Mühle. Sprosse war tot! Sam wusste, dass Mogget das Richtige getan hatte, doch es fiel ihm schwer, sich damit abzufinden.
    »Schnell!«, drängte der Kater und hüpfte als verschwommene weiße Gestalt in der Dunkelheit um seine Füße. Sam konnte die Toten jetzt hören, das Klicken ihrer Knochen, das Knirschen trockener Knie, die so verdreht waren, wie sie es im Leben nicht hätten sein können. Die Furcht kämpfte gegen seine Müdigkeit und trieb ihn auf dem Weg zur Mühle an.
    Er stolperte und wäre fast gestürzt. Irgendwie gelang es ihm, auf den Beinen zu bleiben. Die Schmerzen, die er immer stärker spürte, hatten zumindest den Vorteil, dass sie ihn wach hielten und sein Bewusstsein schärften. Seine Stute war tot, doch es gab keinen Grund, sich ihr anzuschließen. Nur seine Erschöpfung ließ ihm den Tod wünschenswert erscheinen – für einen flüchtigen Moment.
    Voraus erschien nun die Mühle, die in den mächtigen Ratterlin ragte, während der Mühlbach, das Wehr und das Rad sich an der anderen Seite befanden. Sam brauchte lediglich den Bach zu erreichen und das Wehr zu öffnen, dann würde die Mühle in kürzester Zeit vom schnell fließenden Wasser, das dem Fluss entzogen wurde, geschützt sein.
    Sam warf einen neuerlichen Blick über die Schulter und stolperte wieder, so heftig erschrak er über die große Nähe und die Zahl der Toten. Es waren nun viel mehr als zwanzig Kreaturen, die aus allen Richtungen herbeieilten; die nächsten waren kaum mehr als vierzig Meter entfernt. Die leichenweißen Gesichter sahen im Sternenlicht wie Schwärme von Nachtfaltern aus.
    Viele der Toten trugen die Überreste von blauen Tüchern und Hüten. Sam starrte sie an und erkannte, dass es tote Südlinge waren – wahrscheinlich einige von den Leuten, die sein Vater suchen wollte.
    »Lauf, du Narr!«, rief Mogget und flitzte an Sam vorbei, als den Toten offenbar bewusst wurde, dass ihr Opfer ihnen zu entkommen drohte. Verrottende Knochen knirschten, als sie plötzlich zur Eile angetrieben wurden, und tote Kehlen stießen seltsame heisere Schlachtrufe aus.
    Sam sah sich nicht mehr nach ihnen um. Er konnte ihre schweren Schritte und die widerlich schlürfenden Geräusche des verwesenden Fleisches auch so deutlich genug hören. Er trieb sich selbst an und rannte, obwohl sein Atem in Kehle und Lunge brannte und jede Faser seines Körpers zu schmerzen schien.
    Er erreichte den Mühlbach – eine tiefe, nicht sehr breite Rinne – knapp vor den Toten. Mit vier langen Schritten hatte er die Planke des Steges hinter sich gelassen und stieß sie in die Rinne, um die Verfolger aufzuhalten; doch die Rinne war so trocken, dass die vordersten Totenhände einfach hinuntersprangen und auf der anderen Seite wieder

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