Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
Fußmarsch durch den Wald erspart; deshalb sollten sie dem Fluss eigentlich nahe sein. Sie
mussten
ihm nahe sein!
    Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen ersten Blick zu riskieren, doch eine wellige Hügellandschaft verhinderte die Sicht ins Tal. Wahrscheinlich musste er nur noch eine kurze Wegstrecke hinter sich bringen, dann würde er den Ratterlin bestimmt entdecken.
    Klipp, klapp. Sprosses Hufe schallten laut auf der Straße, als sie müde weitertrottete, während Sam von Hoffnung und Furcht erfüllt war.
    Die höchste Kuppe lag nun voraus. Oben angelangt ließ Sam den Blick in die Runde schweifen. Die Sonne ging direkt vor ihm unter, eine gewaltige Scheibe, die im Westen versank und ihn blendete.
    Er kniff die Augen zusammen und schirmte sie mit einer Hand ab – und nun gewahrte er ein breites blaues Band, in dem sich das orangerote Licht der untergehenden Sonne spiegelte.
    »Der Ratterlin!«, rief Sam. Dort war er endlich, der rauschende Fluss, dessen Wasser die Toten abhielt. Der Fluss, der ihn retten würde.
    Es sei denn, er konnte ihn vor Einbruch der Nacht nicht mehr erreichen… Die Dunkelheit, mit der die Toten kamen, war fast schon angebrochen. Sam spürte bereits die Anwesenheit Toter Kreaturen; also waren sie nicht weit entfernt. Vielleicht befanden sie sich direkt vor ihm auf dem Weg, den er nehmen musste. Diese Straße – und der Punkt, wo sie zum Treidelpfad kam – wurde bestimmt beobachtet.
    Außerdem, schoss es Sam durch den Kopf, während er zum Fluss hinunterschaute, hatte er noch gar nicht überlegt, was er tun würde, wenn er den Ratterlin erreichte. Was war, wenn er kein Boot oder Floß fand?
    »Beeil dich!«, drängte Mogget aus der Satteltasche hinter ihm, dass Sam vor Schreck zusammenfuhr. »Wir müssen zur Mühle und dort unterschlüpfen.«
    »Ich sehe keine Mühle«, entgegnete Sam und beschirmte erneut die Augen. Er konnte keine Einzelheiten drunten am Fluss erkennen. Seine Augen waren trüb von Schlafmangel, und er kam sich geistlos vor wie eine Totenhand.
    »Natürlich ist da eine Mühle«, knurrte Mogget und sprang aus der Satteltasche auf Sams Schulter. »Und weil sich das Mühlrad nicht dreht, können wir darauf hoffen, dass sie verlassen ist.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Sam. »Wäre es nicht besser, wenn dort Leute wären? Dann könnten wir zu essen und zu trinken bekommen…«
    »Möchtest du die Toten zu einem Müller und seiner Familie führen?«, unterbrach ihn Mogget. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie uns finden – wenn sie uns nicht schon entdeckt haben.«
    Sam antwortete nicht, sondern klatschte Sprosse nur leicht auf den Hals. Vielleicht würde er sie nicht allzu sehr anstrengen, wenn er sich an den Steigbügel hängte. Sam hoffte, dass die Stute die Strecke noch schaffte, denn er befürchtete, ohne ihre Hilfe nicht mehr so weit zu kommen.
    Wie üblich hatte Mogget Recht. Sam spürte, dass die Toten sich näherten. Und als er zum Himmel schaute, sah er zwei schwarze Punkte, die sich aus östlicher Richtung näherten. Offensichtlich hatte der Nekromant keinen Mangel an Blutkrähen, die er aussenden konnte. Und wo es die Krähen gab, da gab es auch bald andere aus dem Tod Geholte, die ihr Opfer suchten.
    Mogget sah die Blutkrähen ebenfalls und flüsterte Sam ins Ohr: »Jetzt gibt es kaum noch Zweifel. Das ist das Werk eines Nekromanten, der es auf
dich
abgesehen hat, Prinz Sameth. Seine Diener werden dich aufspüren, wohin du auch fliehst, und er wird weitere Kreaturen des Todes auf dich hetzen, um dich in den Untergang zu treiben.«
    Sam schluckte. Die schrecklichen Worte Moggets hallten ihm in den Ohren, durchdrungen von einer schwachen Spur Freier Magie, die das Katzenwesen verströmte. Sam gab Sprosse einen Klaps aufs Hinterteil und sagte, was ihm als Erstes in den Sinn kam:
    »Halt’s Maul, Mogget!«
     
    Sprosse stürzte hundert Meter vor der Mühle zu Boden, zu Tode erschöpft, das reglose Gewicht Sams am Steigbügel. Sam ließ gerade noch rechtzeitig los, dass die Stute nicht auf ihn fiel. Mogget sprang von seiner Schulter, um sich in Sicherheit zu bringen.
    »Erledigt«, stellte er fest, ohne Sam anzusehen. Seine grünen Augen spähten scharf ins Dunkel. »Sie kommen näher.«
    »Ich weiß.« Sam bemühte sich, die Satteltaschen freizubekommen, und schlang sie sich über die Schulter. Dann beugte er sich zu Sprosse hinunter, um ihr den Kopf zu streicheln, doch sie reagierte nicht. Nur das Weiße ihrer Augen war zu sehen. Sam nahm die

Weitere Kostenlose Bücher