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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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verbreiteten die Lichter unter der Decke keine Wärme. Hier herrschte die gleiche Temperatur wie im restlichen, bewohnten Reich der Clayr, und die gleiche milde Luftfeuchtigkeit, die von dem riesigen Rohrnetz ausging, das heißes Wasser aus den Geysiren und Dämpfe von tief, tief unten heraufpumpte.
    So hübsch es hier auch war – Lirael fand das Ganze doch ein wenig enttäuschend. War das schon alles, was sie bei ihrem ersten Ausflug finden würde? Dann entdeckte sie eine weitere Tür – vielmehr ein Gitter – an der hinteren Seite der Höhle.
    Sie brauchte zehn Minuten, um dorthin zu gelangen. Länger, als man meinen sollte. Doch sie bemühte sich, auf möglichst wenig Blumen zu treten, und machte vorsichtshalber einen weiten Bogen um die Eiche und den Teich.
    Das Gitter versperrte den Weg zu einem weiteren Korridor, der offenbar in die Dunkelheit führte. Das Gitter trug das Zeichen eines silbernen Mondes statt einer Sonne: eine Mondsichel, die mit den scharfen und langen Spitzen hässlich und irgendwie bedrohlich aussah.
    Lirael blickte durch das Gitter auf den Gang dahinter. Aus irgendeinem Grund dachte sie an die Trillerpfeife an ihrem Revers – und an Hände, die in der Dunkelheit nach ihr griffen. Die Pfeife würde hier so nutzlos sein wie die Maus, wurde ihr plötzlich bewusst, da sich derzeit niemand im Leseraum aufhielt, der ihren quiekenden Alarmschrei zu hören vermochte.
    Aber von möglicherweise ohnehin nur eingebildeten, unbekannten Gefahren abgesehen, gab es keinen offensichtlichen Grund, weshalb Lirael die Gittertür nicht öffnen sollte. Wieder fächelte sie ihr Armband, erneut blitzten die Smaragde, doch die Tür schwang nicht auf. Lirael senkte die Hand, strich sich das Haar aus dem Gesicht und runzelte die Stirn. Offenbar war dies ein Durchgang, der sich bloß mit einem der höheren Zauber öffnen ließ.
    Da vernahm sie ein Klicken, und der rechte Türflügel schwang langsam auf, kaum weit genug, dass Lirael sich würde hindurchzwängen können. Um es noch schwieriger zu machen, ragte die Mondsichel in die Öffnung; die scharfen Spitzen endeten dort, wo Liraels Hals und Oberschenkel sich befanden.
    Sie blickte auf den schmalen Durchgang und dachte nach. Was, wenn sich etwas besonders Schreckliches dahinter verbarg? Andererseits – was hatte sie schon zu verlieren? Angst und Neugier rangen in ihr. Die Neugier siegte.
    Kurz entschlossen nahm sie die Maus aus der Tasche und setzte sie zwischen die Blumen. Falls hinter der Gittertür etwas schief ging, könnte sie immer noch das aktivierende Charterzeichen hinausschreien, und schon würde die Maus losflitzen und ihren eigenen verschlungenen Weg zum Leseraum nehmen. Selbst wenn es zu spät wäre, Lirael zu retten, könnte es noch eine Warnung für die anderen sein. Soviel sie von ihren Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen gehört hatte, war es für Bibliothekarinnen nicht ungewöhnlich, ihr Leben zum Wohle der Clayr zu geben – sei es bei gefährlichen Forschungen oder im Kampf gegen bisher unbekannte Gefahren, die in der Bibliothekssammlung entdeckt worden waren. Lirael glaubte, dass dieses Prinzip der Selbstaufopferung gerade für sie passend wäre, da alle anderen die Sicht besaßen und es deshalb wichtiger war, dass sie am Leben blieben.
    Nachdem sie die Maus abgesetzt hatte, zog Lirael den Dolch und zwängte sich durch die schmale Türöffnung. Es war wirklich äußerst knapp, aber trotz der messerscharfen Mondsichelspitzen kam sie hindurch, ohne sich und ihrer Kleidung Schaden zuzufügen. Auf den Gedanken, dass ein Erwachsener das unmöglich hätte schaffen können, kam sie gar nicht.
    Der Korridor war sehr dunkel, darum sprach Lirael einen einfachen Charterzauber für Licht und ließ dieses in ihren Dolch fließen. Dann hielt sie die Klinge vor sich wie eine Laterne, nur dass sie nicht so hell leuchtete. Entweder hatte sie den Zauber nicht richtig hinbekommen oder irgendetwas dämpfte ihn.
    Der Korridor war dunkel und kalt, was darauf schließen ließ, dass er nicht an die geothermale Rohrleitung der Clayr angeschlossen war. Staub stieg bei Liraels Schritten auf und wirbelte in seltsamen Mustern – Charterzeichen vielleicht, die Lirael noch nicht kannte.
    Jenseits des Korridors befand sich ein kleiner, rechteckiger Raum. Mit hochgehaltenem Dolch konnte Lirael bis in die dunklen Ecken sehen, in denen sich schwache Charterzeichen bewegten, die so alt waren, dass sie ihre Leuchtkraft so gut wie verloren hatten.
    Der ganze Raum war voller

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