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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Junge?«, rief Cochrane wütend. »Das geht nun wirklich zu weit…«
    Seine Stimme erstarb, als eine Gestalt aus den Schatten vor ihnen auf die Straße stolperte. Es war ein Mensch… oder das, was davon übrig war, denn jetzt hingen Fleischstränge an Stelle der Arme von seinen Schultern, und sein Kopf war ein fast kahler Totenschädel mit tiefen Augenhöhlen und aus dem Kiefer ragenden Zähnen. Es gab keinen Zweifel, dass dieser Mensch tot war. Trotz des starken Regens breitete sich Verwesungsgestank aus. Erdbrocken fielen bei jeder Bewegung von dem Toten ab – ein zusätzlicher Beweis, dass er sich eben erst aus seinem Grab geplagt hatte.
    »Nach links!«, schrie Sam. »Alle nach links!«
    Sein Schrei riss die Gruppe aus ihrer Erstarrung. Cochrane sprang noch schneller als die Jungen über die Steinmauer am Straßenrand und warf seinen Schirm von sich.
    Als er das ersehnte Leben spürte, schwankte der Tote noch schneller heran. Der Sergeant stützte sich an die Mauer und wartete, bis das Scheusal nur noch zehn Fuß entfernt war. Dann schoss er mit seinem schweren .455er Revolver auf den Rumpf der Kreatur, fünf Schüsse hintereinander, und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, weil die Waffe funktionierte.
    Das Scheusal wurde zurückgeschleudert und zu Boden geworfen, doch der Sergeant wartete nicht ab. Er war schon lange genug in der Grenzzone und wusste, dass die Kreatur sich wieder erheben würde. Kugeln konnten Totenhände aufhalten, jedoch nur dann, wenn diese grässlichen Wesen in kleine Stücke zerrissen wurden. Weiße Phosphorgranaten waren geeigneter, denn sie verbrannten die Totenhände zu Asche – sofern die Granaten funktionierten. Schusswaffen und die übliche militärische Technologie Ancelstierres versagten häufig, je näher sie an der Mauer und dem Alten Königreich eingesetzt wurden.
    »Den Hügel hinauf!«, brüllte Sam und deutete auf eine Anhöhe, wo der Wald sich lichtete. Wenn sie es bis dorthin schafften, konnten sie zumindest sehen, was auf sie zukam, und sie würden durch die größere Höhe einen leichten Vorteil haben.
    Während sie rannten, erhob sich ein unmenschlicher Schrei hinter ihnen. Es war ein Geräusch, als würde jemand auf einen Blasebalg treten; es klang eher wie ein durchdringendes Quieken als wie ein Schrei. Sam wusste, dass er von der ausgetrockneten Lunge einer Totenhand kam. Sie war rechts von der, auf die der Sergeant geschossen hatte. Gleichzeitig spürte Sam andere Kreaturen, die von beiden Seiten kamen und den Hügel einzukreisen begannen.
    »Dahinten ist ein Nekromant«, rief er im Laufen. »Und es muss eine Menge Leichen geben, die noch ziemlich gut erhalten sind.«
    »Ein Lastwagen voll dieser Südlinge… ist vor ungefähr sechs Wochen… hier von der Straße abgekommen«, berichtete der Sergeant keuchend. »Neunzehn waren auf der Stelle tot. Der Dekan von Archell wollte nichts mit ihnen zu tun haben, das Krematorium der Armee auch nicht, also wurden sie gleich neben der Straße beerdigt.«
    »Idiotisch!«, rief Sam. »Das ist zu nahe an der Mauer. Sie hätten eingeäschert werden müssen!«
    »Die verdammten Schreibtischhengste«, stieß der Sergeant keuchend hervor und zog den Kopf ein, um unter einem Ast hindurchzukommen. »Die Bestimmungen verbieten Bestattungen innerhalb des Perimeters. Aber das ist außerhalb. Seht Ihr?«
    Sameth antwortete nicht. Sie stiegen jetzt den Hang hinauf, und er brauchte seinen ganzen Atem. Er spürte, dass mindestens zwölf Totenhände hinter ihnen waren und drei oder vier sie von der Seite angreifen wollten. Und da war noch etwas, wahrscheinlich der Nekromant, dort, wo man die Leichen verscharrt hatte.
    Die Hügelkuppe war baumfrei, sah man von ein paar windgeschüttelten Schösslingen ab. Kurz bevor sie die Kuppe erreicht hatten, ließ der Sergeant halten und rief: »Sind alle da? Wie viele…«
    »Sechzehn, mit Mr Cochrane«, antwortete Nick, der ein schneller Rechner war. Cochrane funkelte ihn an, schwieg jedoch und holte tief Luft, um wieder zu Atem zu kommen. »Alle sind hier.«
    »Wann werden sie da sein, Sir?«, wandte der Sergeant sich an Sam, während sie beide zu den Bäumen hinunterspähten. Es war schwierig, etwas zu sehen. Die Sicht wurde durch den noch immer zunehmenden Regen und den Anbruch der Nacht erschwert.
    »Die ersten zwei oder drei werden uns in ein paar Minuten erreichen«, antwortete Sam grimmig. »Der Regen wird es ihnen ein wenig erschweren. Wir müssen sie zu Boden werfen,

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