Das alte Königreich 03 - Abhorsen
Kingswold, der Generalinspekteur, die Regierung der Patriotischen Partei ausgerufen, doch General Tindall weigert sich, sie oder Kingswold anzuerkennen. Verschiedene Einheiten haben inzwischen Partei ergriffen, einige für Tindall, andere für Kingswold…«
»Dann hat Corolini also offen nach der Macht gegriffen?«, fragte Sabriel. »Wann ist das geschehen?«
»Es stand in der Morgenzeitung«, erwiderte Coelle. »Wir haben die Nachmittagsausgabe nicht bekommen. In Corvere wird gekämpft. Haben Sie das nicht gewusst?«
»Wir sind auf verborgenen Pfaden hierher gekommen und den Ancelstierrern aus dem Weg gegangen, so gut es uns möglich war«, sagte Touchstone. »Wir hatten kaum Gelegenheit, Zeitung zu lesen.«
»Die
Times
schreibt, der Premierminister hat noch die Kontrolle über das Arsenal, den Regierungspalast und die Sitzungskammer«, sagte Coelle.
»Wenn er den Palast hält, hat er die Kontrolle über den Obersten Richter«, sagte Touchstone. Er blickte Sabriel fragend an. »Und Corolini kann ohne Zustimmung des Obersten Richters keine Regierung bilden, oder?«
»Nur wenn wirklich alles zusammenbricht«, sagte Sabriel entschieden. »Aber das spielt keine Rolle. Corolini, der Anschlag… das alles ist nur ein Ablenkungsmanöver. Alles, was sich derzeit hier ereignet, ist das Werk einer Macht aus dem Alten Königreich… unserem Königreich. Die Kriege, der Zustrom von Flüchtlingen aus dem Süden, der Aufstieg Corolinis, das gehört alles zu einem großen Plan, dessen Zweck wir nicht kennen. Aber was sucht eine Macht aus unserem Königreich hier in Ancelstierre? Ich verstehe ja, dass es zweckmäßig ist, in Ancelstierre Unsicherheit und Angst zu verbreiten, wenn man einen Angriff über die Mauer plant. Aber wozu? Und wer?«
»In Sams Telegramm ist von Chlorr die Rede«, sagte Touchstone.
»Chlorr ist nur ein Nekromant, wenn auch ein sehr mächtiger«, meinte Sabriel. »Nein, es muss etwas anderes sein. Das Böse… ausgegraben… unweit von Kante…«
Sabriel stockte, als Felicity und ihre drei Helferinnen mit einer langen, messingbeschlagenen Truhe hereinschwankten, die sie in der Mitte des Raums abstellten. Charterzeichen wanderten langsam über den Deckel und das Schlüsselloch. Sie leuchteten auf, als Sabriel das Schloss berührte und einige Worte murmelte. Ein deutliches Klicken war zu hören und der Deckel hob sich einen Fingerbreit. Sabriel öffnete ihn. Licht fiel auf Kleidung, Rüstzeug, Schwerter und Sabriels Glockenbandelier. Sie wühlte jedoch tiefer und zog ein großes, in Leder gebundenes Buch heraus. Eine erhabene Goldschrift auf dem Umschlag betitelte das Buch als
Ein Almanach der Zwei Länder und der Mauerregion.
Sie blätterte rasch, bis sie zu einer Reihe von Tafeln gelangte.
»Der Wievielte ist heute?«, fragte sie.
»Der Zwanzigste«, sagte Coelle.
Sabriel fuhr mit dem Finger eine Spalte hinunter und dann quer über die Seite. Sie blickte auf das Ergebnis; dann flog ihr Finger erneut über die Zahlen, als sie es überprüfte.
»Wann ist er?«, fragte Touchstone. »Der Anstyrstag?«
»Heute«, sagte Sabriel.
Stille folgte ihren Worten. Touchstone fing sich nach einem Augenblick.
»Im Königreich müsste es noch früher Morgen sein«, stellte er fest. »Wir können es schaffen.«
»Nicht auf der Straße, wenn der Grenzübergang nicht sicher ist«, meinte Sabriel. »Wir sind zu weit im Süden, um einen Papiersegler zu rufen…«
Dann ließ ein plötzlicher Gedanke ihre Augen aufblitzen. »Magistrix, mietet Hugh Jorbert noch immer die Westkoppel der Schule für seine Flugschule?«
»Ja«, erwiderte Coelle. »Aber die Jorberts sind in Urlaub. Sie kommen erst in einem Monat zurück.«
»Wir können nicht mit einer ancelstierrischen Maschine fliegen«, wandte Touchstone ein. »Wir haben Nordwind. Der Motor wird spätestens zehn Meilen von hier den Geist aufgeben.«
»Wenn wir hoch genug steigen, fliegen wir darüber hinweg«, sagte Sabriel. »Dazu brauchen wir allerdings einen Piloten. Wie viele Mädchen nehmen Flugstunden?«
»Ein Dutzend etwa«, erwiderte Coelle zögernd. »Ich weiß aber nicht, ob sie allein fliegen können…«
»Ich habe meine Soloprüfung«, unterbrach Felicity sie rasch. »Mein Vater flog mit Colonel Jorbert im Korps. Ich habe zweihundert Stunden in unserem Humbert-Simulator zu Hause verbracht und fünfzig hier in der Beskwith. Ich habe Notlandungs- und Nachtflugübungen und alle möglichen Einsätze trainiert. Ich kann sie über die Mauer
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