Das Amulett der Macht
Kompliment zu machen.«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte er. »Es gibt eine Menge Dinge, die ich nicht weiß. Mit Kunst und Musik und in vielen Bereichen der Literatur kenne ich mich überhaupt nicht aus. In Mathe bin ich in der Schule durchgerasselt. Ich habe seit dreißig Jahren keinen Film mehr gesehen, und mein letzter Theaterbesuch ist noch länger her. Aber wenn es etwas gibt, worauf ich mich verstehe, dann ist es mein eigenes Geschäft.«
»Ich bin trotzdem beeindruckt.«
»Dazu besteht kein Grund«, sagte Oliver. »Was wäre ich denn für ein Führer, wenn ich mich im Busch verirren oder meine Tiere nicht kennen würde?«
»Okay, du hast gewonnen«, sagte sie lächelnd. »Ich habe mich geirrt. Du bist doch nichts Besonderes.«
Und auf einmal gab es in ihrem Kopf ein fast hörbares Klick!, als das letzte Teil des Puzzles – das, über das sie sich während des Fluges von Khartoum nach Nairobi das Hirn zermartert hatte – plötzlich an die richtige Stelle fiel.
TEIL 4
SEYCHELLEN
31
Die Maschine landete und rollte aus, dann lenkte Lara sie zum Terminal. Es war ein seltsamer Flugplatz: 747er aus Frankreich standen Seite an Seite mit kleinen Passagierflugzeugen, die die anderen Inseln bedienten, und dazwischen mischten sich noch kleinere Modelle wie beispielsweise Jacobis.
»Niemand hat gefragt, warum du die Landekoordinaten brauchtest?«, fragte Oliver.
»Nein«, antwortete sie. »Das scheint hier ein sehr gelassenes Fleckchen zu sein. Und angesichts der Menge von Privatflugzeugen, die hier verkehren, ist es wohl nur normal, dass einige der Piloten Richtungsanweisungen brauchen.« Sie kletterte aus dem Flugzeug und sprang zu Boden. »Ich bin überrascht, dass es nicht schwüler ist.«
»Meeresbrisen«, meinte Oliver und folgte ihr. »Außerdem«, fugte er grinsend hinzu, »wäre im Garten Eden eine zu hohe Luftfeuchtigkeit gar nicht erlaubt. Die Seychellen machen seit einem Jahrhundert oder noch länger Kasse mit General Gordons Beschreibung.« Er schaute sich um. »Ich frage mich, wo Praslin von hier aus gesehen liegt.«
»Zwanzig Meilen nördlich oder östlich«, sagte eine Stimme, und sie drehten sich um. Vor ihnen stand ein hoch gewachsener Mann Mitte fünfzig. Sein Gesicht war von der Sonne gebräunt, ein dichter, grauer Bart reichte ihm bis auf die Brust hinab, und seine durchdringenden braunen Augen hielt er auf Lara gerichtet. Er trug weiße Kleidung, die nicht unbedingt westlichem Standard entsprach, aber ebenso wenig war sie indisch oder arabisch.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie von uns?«, verlangte Lara zu wissen.
»Haben Sie keine Angst, Lara Croft«, sagte er. »Mein Name ist Ibraham Mohammed el-Padir. Mein Vetter sagte mir, dass Sie kommen würden, und bat mich, auf Sie Acht zu geben.«
»Sie sind auch einer von Omars Vettern?«
»Ja. Zu Ihren Diensten.«
»Beweisen Sie es«, sagte Lara.
Der Mann nickte, als habe er erwartet, dass sie seine Behauptung auf die Probe stellen würde. »Omar sagte mir, ich solle Ihnen mitteilen, dass er ›den Rest verbrannt‹ habe. Er meinte, Sie wüssten, was das bedeutet.«
Lara lächelte. »Es freut mich, Sie kennen zu lernen, Ibraham«, sagte sie. »Ich habe etwas in meiner Schultertasche, mit dem ich nicht an der Einwanderungsbehörde und dem Zoll vorbei möchte. Kennen Sie einen Weg, um die Sachen unbemerkt hindurchzuschmuggeln?«
»Ich kann Ihre Sachen an mich nehmen«, bot Ibraham an. »Aber Sie müssen durch den Zoll.«
»In Ordnung. Bringen Sie die Sachen in mein Hotel.«
»Wo logieren Sie?«
»Ich wusste, dass wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit landen würden, und ich dachte, es sei zu spät, um mit der Fähre nach Praslin überzusetzen, deshalb habe ich für heute Nacht Zimmer im Beau Vallon Beach Resort reservieren lassen. Morgen fahren wir dann nach Praslin.« Sie nahm die Tasche ab und hielt sie Oliver hin. »Ich glaube, du hast auch etwas, das du lieber nicht verzollen willst, oder?«
»Für mich ist das kein Problem«, antwortete er. »Wie ich dir schon sagte, gehöre ich offiziell immer noch zur kenianischen Polizei, und ich habe eine Lizenz für die Magnum. Man wird mir aus beruflicher Gefälligkeit nicht verwehren, die Waffe zu tragen.«
»Bist du sicher?«
»Ich habe das schon in anderen Ländern getan.«
»Na gut«, sagte sie. »Ibraham, wir sehen uns im Hotel, sobald wir hier die Formalitäten hinter uns gebracht haben.«
Sie überließ ihm ihre Tasche, dann gingen sie und Oliver in Richtung
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