Das Amulett der Macht
Eistee entgegen.
»Ich habe dich noch gar nicht gefragt«, sagte sie dann. »Hast du im Museum irgendetwas gefunden?«
»Nicht wirklich«, sagte Mason. »Du warst ja in der Gordon-Ausstellung. Ich habe mich nur in den übrigen Räumen umgesehen, auf der Suche nach … verdammt, ich weiß nicht wonach.
Nach irgendetwas, das meinen Denkapparat in die Gänge bringen oder mir einen Hinweis liefern könnte.«
»Gordon und der Mahdi waren einander sehr ähnlich«, sagte Lara. »Sie waren geborene Führer, sie waren geniale Generäle, und beide waren sie völlig davon überzeugt, dass Gott auf ihrer Seite stand. Unter anderen Umständen wären sie womöglich sehr gute Freunde gewesen, vielleicht sogar wie Brüder.«
»Das bezweifle ich«, sagte Mason. »Ich glaube, weder der eine noch der andere hätte die Tatsache hinnehmen können, dass der andere unmittelbar mit Gott zu sprechen meinte.«
Sie gluckste vergnügt. »Da hast du wahrscheinlich Recht.«
»Trinken Sie aus«, sagte Omar. »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es heute noch ins Ethnographische Museum und in die Bibliothek. Dann können wir morgen mit der Suche beginnen.«
»Sie sind etwas zu optimistisch«, sagte Lara. »Im Moment besteht meine einzige Idee darin, die Kirchen zu durchforsten, und das hat Kevin bereits getan. Wahrscheinlich erfahren wir im nächsten Museum auch nichts, was uns weiterhilft, und es könnte Tage dauern, die Bücher und Papiere in der Bibliothek durchzugehen, ehe ich weiß, ob sie uns irgendwie von Nutzen sind.«
»Und wenn sie es nicht sind?«, fragte Hassam.
»Dann forschen wir weiter«, sagte Lara. »Omdurman liegt nicht allzu weit entfernt auf der anderen Seite des Nils. Wenn ich an Gordons Sterbeort nichts in Erfahrung bringen kann, dann vielleicht dort, wo er den Mahdi besiegte. Wenn er vor der Schlacht um Omdurman in den Besitz des Amuletts kam, dann hat er es vielleicht gar nicht mit nach Khartoum gebracht. Vielleicht ist es irgendwo jenseits des Nils versteckt.«
»Glauben Sie das wirklich?«, fragte Omar.
»Ich weiß es nicht.«
»Ich weiß, wie viel es Ihnen bedeutet und wie sehr sie es haben wollen«, sagte Mason zu den beiden Sudanesen, »aber Sie dürfen eines nicht vergessen: Wenn es leicht zu finden wäre, dann hätte es längst jemand gefunden.«
Auf der Straße vor dem Restaurant stieß Gaafar wieder zu ihnen.
»Wie ist euer Morgen verlaufen?«, fragte er, als er sich ihnen anschloss.
»In etwa wie erwartet«, sagte Lara. »Und wie war Ihrer? «
»Wir waren uns ja schon im Klaren darüber, dass die Mahdisten von Ihrer Anwesenheit in Khartoum wissen«, sagte Gaafar. »Aber sie wissen auch, warum Sie hier sind. Ich halte es für wahrscheinlich, dass sie Sie in Ruhe lassen werden, bis Sie das Amulett finden oder sie zu seinem Versteck führen.«
»Wie wir es uns gedacht haben«, sagte Lara. »Vielleicht können wir uns jetzt ein bisschen entspannen.«
»Wenn da nicht noch diese zungenlosen Killer wären, die du erwähnt hast«, sagte Mason.
»Ich sagte ja auch: ›ein bisschen‹«, erwiderte Lara.
Genau in diesem Augenblick bog in irrsinnigem Tempo ein Lastwagen um die Ecke, sprang über den Bordstein – und raste auf sie zu.
21
Lara machte einen Satz nach links und griff nach ihren Pistolen, aber sie verhedderte sich in ihrem Gewand. Sie sah, wie Mason Omar und Hassam aus dem Weg stieß und dann selbst dem Lastwagen fast noch haarscharf entgangen wäre – doch der Außenspiegel, der aus der Tür ragte, erwischte ihn im letzten Moment an der Schulter und schleuderte ihn mitten auf die Straße.
»Kevin!«, schrie sie. »Bist du in Ordnung?«
»Mach dir um mich keine Sorgen!«, presste er hervor. »Pass auf dich selber auf!«
Zwei Frauen kreischten, als der Truck auf dem Gehsteig blieb und durch Karren und Verkaufsbuden pflügte. Dann wendete das Fahrzeug und kam wieder auf Lara zu.
Sie nahm vor der massiven Wand des Eckgebäudes Aufstellung. Über ihr befand sich eine Markise, und als der Lastwagen auf sie zuraste, griff sie nach der Querstrebe der Markise, schwang sich mit einem nahezu perfekten artistischen Manöver hinauf auf das Sonnendach und entging so dem Truck in allerletzter Sekunde.
Diesmal krachte der Laster gegen Beton. Die Haube sprang auf, und Dampf stieg aus dem Motor hervor. Der Fahrer sah kurzfristig nichts mehr, weil die Markise über die Windschutzscheibe fiel.
Lara wusste nicht, ob sich der Truck noch bewegen ließ, aber sie hatte auch nicht vor, es abzuwarten. Sie
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