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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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nicht wusste, was es mit Rinaldos Verschwinden auf sich hatte.
    »Es gibt hier nichts mehr zu sehen, lass uns zurück zum Lager gehen«, sagte er brüsk und stapfte davon. Viviana folgte ihm überrascht. Sie hatten das Gebüsch fast erreicht, als sie das Knacken von Zweigen und lautes Rascheln hörten. Etwas Großes kam aus dem Unterholz direkt auf sie zu. Wenn sie jetzt auf eine Rotte Wildschweine oder eine Bache mit Frischlingen träfen, wären sie geliefert. Julian fasste sein Schwert fester und stellte sich breitbeinig hin. Die Blätter teilten sich, und ein großer, massiger Mann kam zum Vorschein. Es war Rinaldo. Er stieß einen kleinen, hellen Schrei des Erschreckens aus. Julian ließ das Schwert sinken.
    »Rinaldo!«, rief Viviana erleichtert. »Wir dachten, dir wäre etwas passiert.«
    »Mir? Warum? Ich war nur einmal kurz hinter dem Gebüsch.«
    »Hast du mich denn nicht rufen hören?«
    Rinaldo blickte Viviana an, als sie sich zwischen den Sträuchern hindurch auf die Wiese zwängten.
    »Es gibt Situationen, in denen man nicht gestört werden möchte.«
    »Wie lange dauerte denn dieser kurze Ausflug hinters Gebüsch?«
    Rinaldo sah Julian indigniert an.
    »Ich frage, weil jemand hier war und unsere Sachen durchwühlt hat.«
    »Was?«
    Rinaldo hastete zum Lagerplatz und zu seinem Bündel.
    »Es scheint nichts zu fehlen«, meldete er wenig später. »Bei mir fehlt auch nichts«, sagte Julian, als er seine Satteltaschen inspiziert hatte. »Allerdings trage ich Wertvolles grundsätzlich bei mir.«
    »Das ist alles sehr merkwürdig«, sagte Rinaldo, als sie sich zu dritt ins Gras setzten.
    »Warum hat der Dieb nichts mitgenommen? Warum hat er nicht wenigstens die Pferde gestohlen?«, fragte Viviana.
    »Ein kleiner Gelegenheitsdieb würde sich nicht mit großen Tieren belasten, die er verkaufen müsste. Aber dass er so gar nichts mitgenommen hat, ist schon merkwürdig.«
    »Und dann sind da noch die Spuren im Wald«, warf Viviana ein.
    »Welche Spuren im Wald?«, fragte Rinaldo.
    »Ganz in der Nähe hat ein Pferd gestanden, oder auch zwei.«
    »Vielleicht haben die Spuren im Wald gar nichts mit dem Dieb zu tun?«, schlug Viviana vor. »Vielleicht ist er auf unserer Spur zurück auf die Straße, und die in das Gebüsch war einfach nur Rinaldos Spur?«
    Julian schüttelte nachdenklich den Kopf.
    »Wie dem auch sei, es fehlt nichts, und wir sollten uns allmählich auf dem Weg machen.« Rinaldo rutschte ungeduldig hin und her.
    »Sollten wir nicht der Spur folgen, die über den Hügel hergeführt hat, die wir auf dem Rückweg entdeckt haben, Julian?«
    Er betrachtete sie. Viviana brannte darauf, dieses Rätsel zu lösen. Nein, diese unverfälschte Begeisterung passte nicht zu jemandem, der in diese Sache verstrickt war. Der Dieb hatte nach etwas Bestimmtem gesucht. Was auch immer Rinaldo zu verbergen hatte, und es konnte ja nur Rinaldo sein, Julian wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er ihm misstraute. Er selbst hatte nichts von Wichtigkeit bei sich, und Viviana hatte kein Gepäck und schien nur die Kleider zu besitzen, die sie am Leibe trug. Rinaldo stand auf.
    »Ich glaube, wir würden nur unsere Zeit verschwenden, Viviana. Wir haben heute noch einiges vor uns, und es wäre besser, wenn wir aufbrächen. Einverstanden?«
    Viviana nickte widerwillig.
    »Ich finde das alles sehr seltsam!«
    »Ja, es ist merkwürdig, aber eines haben wir immerhin klären können«, sagte Julian, als sie Rinaldo zu den Pferden folgten.
    »Was denn?«
    »Dass deine Wahrscheinlichkeitsrechnung Unsinn war.«
    »Sie war überhaupt kein Unsinn. Es ist eben die unwahrscheinliche Variante eingetreten. Das kann dann ja nur bedeuten, dass wir ab jetzt unsere Ruhe haben werden.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr!«

• 8 •
    W enig später ritten sie wieder auf der Straße, die zunächst am Waldrand entlangführte und nach etwa zwei Meilen in den Wald abbog. Zu beiden Seiten war im letzten Jahr abgeholzt worden, sodass die breite Schneise der Straße Licht und Sonne zu den Reisenden durchließ. Es war angenehm warm, im Straßengraben wuchsen Unmengen von Fingerhut, das Summen der Bienen und das Zwitschern der Vögel waren neben ihrem Hufgeklapper die einzigen Geräusche. Keiner von ihnen sprach, und Viviana starrte gedankenverloren vor sich hin. Diese Angelegenheit war sehr merkwürdig. Nichts war gestohlen worden, niemand war zu Schaden gekommen, und doch hatte man die Sachen durchwühlt. Warum? Hatte Julian tatsächlich etwas zu verbergen,

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