Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
nicht. Ich bin nur die Erinnerung daran, nicht ihre Bedeutung.«
Ich sah sie wütend an und wollte erneut mit Fragen auf sie einpreschen, da bemerkte ich erst, wie das Licht aus ihrem Körper wich.
»Warte!«, aber es war zu spät. Die Lichtgestalt hatte sich vor meinen Augen aufgelöst und mich alleine vor dem pulsierenden Herz des Singenden Baumes zurückgelassen. In der Melodie hörte ich nun unentwegt den merkwürdigen Reim.
Den Tempel des Ordens musst du finden.
Den Ort, wo Licht und Schatten beieinander liegen.
Zeit und Stillstand sich die Hände geben.
Tod und Leben sich gegenseitig aufheben.
Reise dorthin noch, bevor die Sonne am tiefsten steht
und der Winter das Land regiert.
Dann wirst du erkennen das fehlende Stück.
Wie es ausgeht, vermögen wir nicht zusagen,
dennoch musst du es wagen.
Es war als wäre das ganze Tal plötzlich erwacht, um in die neue Melodie einzustimmen. Es feuerte mich an und verlangte nach meinem Erfolg. Ich hingegen war genauso schlau wie vorher. Das Einzige, was ich verstanden hatte, war, dass ich zum Berg Alverall musste. Zum Tempel des Ordens, um genauer zu sein. Ich kehrte dem Herzen des Baumes den Rücken zu und machte mich auf den langwierigen Weg, hinab zur Erde.
Wettlauf mit der Zeit
Es hatte mich nicht im Geringsten überrascht, als Sebilia schon vor einer der riesigen Wurzeln saß und mich erwartete. Jetzt saß ich wieder auf ihrem kräftigen Rücken und ließ mich mit einer haarsträubenden Geschwindigkeit durch den nebligen Spalt tragen. Hinter uns hörte ich das Trommeln der großen Pfoten von Sebilias Begleiter. Die kalten nassen Felswände flogen nur noch an mir vorbei, sodass es mir unmöglich war, zu sagen wie weit es noch bis zum Ausgang der Berge von Turian war. Ich konnte nur sehen, wie ein silbrig-blauer Faden mit dem Nebel verschmolz, jedes Mal wenn ich in die Seelensicht wechselte. Es war ein merkwürdiges Gefühl dieses unvergleichliche Tal zu verlassen. Für eine unbestimmte Zeit war mein Aufenthalt dort sorgenfrei gewesen. Jetzt pochte nur noch das neue Rätsel in meinen Gedanken. Sie waren nicht weniger neblig, als die Schlucht durch die ich hetzte. Ich war bis jetzt so weit gekommen, dass ich mit Schrecken verstand, dass in dem Gedicht ein Zeitlimit vorhanden war. Ich war mir noch nicht ganz sicher, wann das sein würde. Mein Wissen im Bereich der Astronomie war nicht so ausgeprägt. Ich hoffte, dass Craig dort etwas bewanderter war und mir sagen konnte, an welchem Tag im Jahr die Sonne am tiefsten stand und damit der Winter anfing. Ich war mir sicher, dass dieser Zeitpunkt gemeint war.
Hätte ich eins dieser überteuerten Smartphones, hätte ich einfach eine Google Suche starten können, aber mein Handy war fast so alt wie ich. Die am weitesten entwickelte Technik darin war das Farbdisplay, das einen Sprung hatte. Inzwischen schalt ich mich gedanklich dafür, so achtlos gewesen zu sein, dass mir nicht einmal klar gewesen war, wie viele Tage verstrichen waren, seit ich mit Keira Amalen verlassen hatte. Jetzt war es Ende November. Winter stand also bereits mehr als vor der Tür. Zeit war jetzt also ein weiterer Gegner, der sich mir und meiner Aufgabe in den Weg stellte. Mein Herz pochte vor Aufregung, als Sebilia schlitternd anhielt und mich dabei fast von ihrem Rücken warf. Wir standen vor einer soliden Felswand. Zumindest wirkte es so. Ich wusste es besser. Das vor mir war nur die Illusion, durch die ich auch eingetreten war. Ich rutschte von Sebilias ebenfalls nassem Rücken und versuchte meine steifen Beine zu kontrollieren. Es dauerte seinen gewohnten Moment, bis ich mich aufrecht hinstellen konnte und selbst so nicht mal auf Augenhöhe mit Sebilia war. Wie bei unserer ersten Begegnung glitzerte ein Kranz aus Tropfen auf ihrem Kopf und bildete die imaginäre Krone. Sie sah mich aus intelligenten, liebevollen Augen an, als ihre schnurrende Stimme erklang.
»Weiter kann ich nicht mit dir gehen Janlan. Hier muss ich dich alleine weiterziehen lassen. Meine Aufgabe liegt hinter mir, deine vor dir. Ich werde stets hier sein, solltest du entscheiden eines Tages zurückzukommen. Das Ewige Tal war schon immer das zweite Zuhause deiner Familie. Ich hoffe dir gelingt, was du dir vorgenommen hast.«
Ich umarmte den starken Hals der Löwin und vergrub mein Gesicht für einen kurzen Moment in ihrem nassen weichen Fell.
»Ich danke dir Sebilia. Für alles.«, dann ließ ich sie los. Sie und ihre Gefährten hatten wieder die Unbeweglichkeit von
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