Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Einbildung von Farbe war genau das. Eine Einbildung.
»Mum?«
Keiras Stimme zitterte. Ich musste nicht in ihre Augen sehen, um zu wissen, dass sich darin die Tränen sammelten. Der Seelengeist von Lorelei verharrte bei der Stimme ihrer Tochter, doch dann beeilte sie sich noch mehr, aus unserem Sichtfeld zu verschwinden. Keira fing an, sich in dieselbe Richtung zu bewegen. Sie wollte ihr hinterher. Natürlich. Welcher Mensch hätte das nicht gewollt? Ich folgte Keira zu der Stelle, wo ihre Mutter zwischen den Bäumen verschwunden war.
»Kennt ihr sie?«
Lensters melodische, fast schon unnatürliche Stimme erklang aus dem Gras hinter uns. Ich hatte gewusst, dass er uns folgte. Deshalb stand ich schnell vor dem Flecken Gras, indem er sich verbarg.
»Weißt du wohin sie geht?«
Ich fuhr ihn etwas zu hart an, aber das war mir jetzt egal. Ich würde alles tun, nur um Keiras Schmerz ein wenig zu lindern, und wenn das hieß, dass sie mit dem Seelengeist ihrer Mutter reden musste, dann würde ich dafür sorgen. Der Luchs legte den Kopf schief und musterte mich interessiert.
»Nein, dass weiß ich nicht. Ist es denn wichtig?«
Blöder Luchs.
»Ja.«
Er ging nicht darauf ein.
»Ihr solltet ihr nicht hinterher gehen. Erst recht nicht, wenn ihr sie kennt.«
Was wusste er schon? Ich musste mir eingestehen, dass Lenster wohl sehr viel wusste und uns nur einen Bruchteil davon mitgeteilt hatte.
»Weißt du, wohin sie geht?«
Ich wiederholte die Frage. Ich hatte nicht den Eindruck gehabt, dass seine Antwort der Wahrheit entsprach.
»Ich nicht, aber du solltest es eigentlich wissen. Dennoch solltet ihr nicht hinter ihr her. Es gibt Gründe, dass sich Seelengeister von ihrer Familie zurückziehen. Einen habt ihr schon gesehen. Kinder fallen dem vermeintlichen Trugbild von der Anwesenheit der geliebten Person zum Opfer.«
Ich sah ihn finster an.
»Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.«
Er überging mich, was mich eindeutig noch wütender machte. Stattdessen wandte er sich an die in den Wald starrende Keira. Sie hatte uns kaum Beachtung geschenkt.
»Keira Kanterra, du kannst damit nicht einverstanden sein, dass Janlan Alverra dieser Frau folgt.«
Ich wusste nicht, ob das eine bloße Feststellung war oder ein Befehl. So oder so, ich mochte es nicht. Keira starrte jetzt Lenster an. Ihr Ausdruck war ein Wechselspiel, zwischen der scharfen Berechnung und einem schmerzerfüllten Leid. Ich hasste Lenster dafür, dass er das in ihr auslöste. Ich wusste nicht, womit er es tat oder was die scharfe Berechnung hervorrief, aber ich hasste es.
»Lenster…«
Meine Stimme war ein spitzes Zischen, das unüberhörbar das Versprechen einer Drohung trug.
»Ich möchte, dass du uns alleine lässt. Ich kenne deine Meinung, der Rest ist meine und Keiras Sache. Wir kommen wieder zur Lichtung, wenn wir soweit sind.«
Ich konnte nicht genau wissen, ob ich nicht gerade eine Grenze überschritt. Ich wusste nur so wenig, aber etwas an der Art wie Lenster immer wieder meinen Namen aussprach, ließ mich vermuten, dass ich mehr Macht hatte als ich ahnte. Vielleicht wusste er von dem Orden von Alverra. Die klugen Augen des Luchses ruhten einen Moment auf mir, dann zog er sich ins Gras zurück.
»Wie ihr meint, Janlan Alverra.«
Da war es wieder, Janlan Alverra, als würde er mit einer Adligen reden. Die mit Vornamen anzusprechen eine ungeheuerliche Frechheit war. Wo war ich da bloß hineingeraten und vor allem, wo hatte ich Keira da mit hineingezogen. Was hatte Lenster gemeint, als er Keira sagte, dass sie nicht einverstanden sein könne. Was hatte das alles zu bedeuten. Ich wartete, bis ich mir sicher war, dass Lensters Seelenenergie weit an den Rand meines Bewusstseins gewichen war. Nicht mehr als ein gelb-blauer Lichtfleck, dann trat ich an Keiras Seite.
»Möchtest du zu ihr gehen?«
Ich sagte es leise und vorsichtig, als ob ich verhindern wollte, dass meine Worte ihr noch mehr Schmerz zufügten.
»Weißt du denn, wo sie ist?«
Sie flüsterte es nur, sodass ich fast Lippenlesen musste, um sie zu verstehen. Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht, aber ich denke, ich kann sie finden.«
Ich hoffte es zumindest. Ich kannte Lorelei sehr gut. Und vielleicht würde mir diese Tatsache helfen. Lorelei hatte mich immer wie eine zweite Tochter behandelt und mich zusammen mit Keira mehrmals gebeten, bei ihnen einzuziehen. Sie hätte mich bereitwillig und freudig als zweite Tochter anerkannt.
»Meinst du wirklich?«
Ihr
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