Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Ich hatte sie zuvor noch nie gesehen. Sie flackerte und war von einem ähnlichen Blau wie Keiras. Aber die Farbe war jetzt gerade ziemlich unwichtig, das Flackern beunruhigt mich. Es war nicht auf meinem Herzen konzentriert, sondern fing an sich zu verteilen. Ich durfte es nicht zulassen.
»Janlan?«
Keira rüttelte an mir, als könnte sie mich aus einem Albtraum wecken. Ich musste die Seelenenergie zurückdrängen. Sie wieder unter Kontrolle bekommen, sie dazu zwingen, an meinen Körper gebunden zu bleiben. Wie lange dauerte das schon an? Wie sollte ich es beenden? Keira strich mir schweißgebadete Strähnen aus dem Gesicht und sah in meine Augen. Immer wieder verschwamm sie, nur um gleich wieder scharf zu werden. Mir fiel nicht ein, wie ich es beenden konnte. Ich musste es aushalten, wie lange auch immer es noch anhalten würde. Ich konnte nur hoffen, dass ich stark genug war. Normal war ich offensichtlich nicht, denn ich hätte schon längst ein Seelengeist sein sollen. Ich war es nicht, also bestand vielleicht Hoffnung. Es war unerträglich. Abschnittsweise wollte ich beinahe sterben oder wie auch immer man es nennen sollte, wenn man zu einem Seelengeist wurde.
Zeit… was für ein subjektiver Begriff. Es kam mir wie ein ganzes Leben vor, das ich zuckend mit dem Kopf in Keiras Schoß auf dem Waldboden verbrachte. Ein ganzes Leben voller Schmerzen und Qualen. Das musste Lorelei gemeint haben, als sie sagte, die Schmerzen kämen von ihr. Sie fühlte sie die ganze Zeit. Sie waren so unerträglich, dass sie sie ungewollt an ihre Umwelt abgab. Ein Seelengeist zu sein, war also wirklich schlimmer als der Tod. Es war ein Fluch. Ein Fluch, der seine Opfer verdammte auf ewig diese Höllenqualen zu erleiden und den Menschen, die sie liebten, aus der Ferne beim Sterben zuzusehen. Das war schlimmer, als der Tod jemals sein würde.
Nach Stunden oder Jahren war es, als würde ich taub werden gegen den Schmerz. Oder ebbte er ab und ich war nur nicht mehr in der Lage, es zu unterscheiden? Mein Körper entspannte sich allmählich.
»Janlan? Janlan, ist es vorbei?«
Ich sah aus glasigen Augen in Keiras Gesicht. Ich nickte. Meine Kehle war trocken und ich traute meiner Stimme nicht so ganz. Noch mehr musste ich Keira wirklich nicht quälen. Erleichterung huschte über ihr Gesicht. Ich sah es noch, doch dann fielen mir die Augenlieder zu. Jetzt da der Schmerz fort war, verlangte mein Körper nach Schlaf.
»Kannst du gehen?«
Keira half mir behutsam auf die Beine. Ich fühlte mich als wäre ich mindestens sechsundsiebzig. Meine Kleidung war unangenehm feucht. Ich fror und biss mir auf die Lippen, damit meine Zähne nicht klapperten. Ich nickte als Antwort. Ich war der Meinung, dass ich gehen konnte, meine Beine allerdings nicht. Sie knickten unter mir weg.
»Wohl eher doch nicht«, nuschelte ich immer noch erschöpft. Keira schlang sich meinen Arm um die Schulter und stützte mich mit ihrem anderen. Sie trug mich mehr, als das sie mir beim Gehen half.
»Das hättest du nicht tun dürfen.«
Wirklich? Jetzt? Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen.
»Das war echt dumm, Janlan.«
Ich verdrehte die Augen und seufzte genervt.
»Keira… ich konnte nicht anders.«
Es war kaum mehr als ein Flüstern. Mehr gab meine Stimme noch nicht her. Jetzt hatte ich sie erst recht wütend gemacht.
»Was soll dass heißen, du konntest nicht anders? Was hast du gedacht bewirken zu können? Meine Mum war zwei Sekunden, nach dem du zuckend auf der Erde lagst, schon verschwunden. Du hättest sie nie aufhalten können. Das war dumm, Janlan! Echt dumm und ich weiß nicht, warum du nicht mit ihr zwischen den Bäumen verschwunden bist. Du solltest ein Seelengeist sein. Das ist dir doch klar, oder? Eigentlich hätte ich neben deinem seelenlosen Körper knien sollen, anstatt dich daran zu hindern, dich selbst schwer zu verletzen. Ist dir das klar?«
Sie redete sich mal wieder in Rage.
»Keira…«
Ich versuchte sie zu beschwichtigen. Konnten wir diesen Streit nicht vertagen? Ich konnte ja nicht mal selbst laufen, wie sollte ich da jetzt streiten.
»Komm mir nicht mit Keira! Das war dumm, Janlan! Schon wieder! Wäre ich nicht bei dir, wärst du innerhalb von einer Woche schon mindestens dreimal gestorben. Was denkst du dir eigentlich!«
Ich dachte, dass ich es für sie getan hatte und wahrscheinlich jederzeit wieder tun würde, aber das zu sagen, würde alles andere als helfen.
»Ich hab nicht nachgedacht«, gab ich stattdessen
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