Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
eigentlich keiner auf die Straße ging. Vielleicht war das genau die richtige Zeit weiter die Altstadt zu erkunden. Erstmal siegte allerdings meine Neugier. Von wem war der Brief? Und noch wichtiger, was stand darin? Keira und ich suchten uns einen Tisch in der hintersten Ecke aus. Von dort konnte man das gesamte Café im Auge behalten und war selbst nicht weiter zu bemerken.
Wir mussten nicht lange auf den Kellner warten. Warum sollten wir auch? Er stand schon jetzt gelangweilt an der kleinen Bar und wartete auf Arbeit. Es war ein hochgewachsener junger Mann. Sein Gesicht war markant und sehr sympathisch. Seine blonden Haare waren für meinen Geschmack eine wenig zu lang. Daher traf er genau Keiras Vorlieben. Ich merkte ihren kleinen Stupser unter dem Tisch, fast schon Sekunden, bevor sie ihn tat. Es war typisch, dass sie in diesem winzigen Café den einzigen attraktiven Mann anziehen würde. Seine Augen hatten fast dasselbe Blau wie meine. Sie waren aufmerksam und strahlten, als er Keiras Lächeln erwiderte.
»Kann ich euch etwas bringen?«
Er hatte eine angenehm ruhige Stimme. Er konnte nicht viel älter sein als Keira und ich. Vielleicht so zweiundzwanzig. Älter sicher nicht. Keira antwortet ihm nur zu gerne.
»Ich hätte gerne eine Mocha Latte.«
Ihr üblicher Kaffe. Erneut schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln, bevor er sich mir zuwandte, um meine Bestellung entgegen zu nehmen.
»Was kann ich dir bringen?«
Genau wie Keira hatte auch ich nicht in die Karte geschaut.
»Ich hätte gerne einen Caramel Macchiato.«
Er nickte zur Bestätigung.
»Gerne kommt sofort.«
Ich schälte mich aus meiner nassen Jacke und versuchte mein Pony zu bändigen.
»Hast du den Brief?«
Keira sah mich gespannt an, obwohl ihr Blick immer wieder zu dem Kellner wanderte. Ich nickte, und fummelte wieder an meiner Jacke herum, bis ich den weißen Umschlag in der gesunden Hand hielt. Es dauerte etwas länger, weil ich mit Links noch ungeschickter war als mit Rechts. Ich legte ihn zwischen uns auf den kleinen runden Tisch. Er war nicht nass. Meine Jacke hatte also dicht gehalten. Das war schon mal etwas Positives am heutigen Tag. Keira würde sicherlich den süßen Kellner auch noch dazu zählen. Dieser kam gerade mit einem Tablett wieder in unsere Richtung. Schnell zog ich den Brief wieder vom Tisch. Keira begrüßte ihn mit einem Lächeln. Selbstverständlich erwiderte er es und gab uns den jeweiligen Kaffee.
»Sagt Bescheid, wenn ich euch noch etwas bringen kann.« Ich hielt mich aus diesem so tiefgründigen Gespräch raus. Er sah ohnehin nur Keira an. Sie war es auch, die antwortete. Ich hingegen rührte mit einem langen Löffel unbeteiligt in meinem Kaffee.
»Das machen wir dann gerne. Danke…«
Sie hielt inne und sah ihn fragend an.
»Ryan.«
Sie nickte zufrieden und schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln.
»Danke Ryan. Ich bin Keira und das ist Janlan.«
Ich nickte ihm nur kurz zu und wartete darauf, dass Keira endlich fertig war.
»Freut mich euch kennenzulernen.«
Ryan ging zurück hinter die Theke. Ich bemerkte, dass er uns immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Eigentlich hätte ich das erwarten müssen. Keira war nicht gerade unattraktiv. Und ich, nun ja ich war normal. Durchschnitt halt. Fand ich zumindest. Mein Löffel klapperte noch gegen das heiße Glas. Ich wartete bis Ryan sich einer Aufgabe widmete und zog den Brief wieder hervor. In diesem Moment sah er auf. Ich dachte für eine Sekunde, den Ausdruck von Wissen zu sehen. Sicherlich bildete ich mir das nur ein. Wahrscheinlich hatte er noch nicht einmal hergesehen.
Umständlich versuchte ich ihn mit der rechten Hand festzuhalten und mit der Linken zu öffnen. Es wollte mir nicht gelingen. Wie hilflos ich ohne meine Rechte zu sein schien.
»Lass mich.«
Keira nahm mir den Brief aus der Hand. Mit einer schnellen Bewegung hatte sie ihn an der Oberseite aufgetrennt und gab ihn mir zurück. Ich zog ein gefaltetes Blatt Papier heraus. Mit einem Kuli hatte jemand wenige Zeilen darauf geschrieben.
Ich weiß, wer ihr seid und wo ihr herkommt. Ich kann euch helfen und eure Suche beenden. Ich kenne den richtigen Ort. Trefft mich im Café Capo. Um zehn werde ich an euch herantreten und mich euch vorstellen.
»Und?«
Keira sah mich erwartungsvoll an. Ich starrte auf die Worte. Wie war das möglich? Ich reichte ihr den Brief. Sie sah mich erst skeptisch an. Vielleicht erwartete sie, dass sie diesen Brief genauso wenig lesen konnte, wie den meines
Weitere Kostenlose Bücher