Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
überall standen Familienfotos, eine bunte Mischung, alle in silbernen Rahmen.
»Du hast gesagt, es gebe eine Reihe von Möglichkeiten«, erinnerte Eve sie.
»Ja. Ich habe Freunde, die mir helfen würden, den Talisman zurückzuholen. Ihre Methoden mögen ein wenig … unorthodox sein, aber diese Lösung wäre um einiges schneller als der Rat.« Sie sah besorgt aus. »Aber es ist sehr riskant, sich einem schwarzen Hexer entgegenzustellen, der so erfahren und skrupellos ist wie Pavane. Ich würde die anderen bitten, ein Risiko für etwas einzugehen, was letztendlich eine T’airna-Angelegenheit ist. In der Vergangenheit waren die T’airnas immer stolz darauf, mit solchen Dingen allein fertig zu werden.«
Eve fühlte den Nachdruck in dem ruhigen, direkten Blick, und eine ungute Vorahnung schnürte ihr die Kehle zusammen.
»In der Vergangenheit hatten die T’airnas den Talisman und die Macht, um die Aufgabe anzupacken. Haben wir sie?«
Grans Miene war undurchdringlich wie die einer Sphinx. »Eine von uns schon.«
Eve verspannte sich. Verdammt, verdammt, verdammt. Sie hatte die Frage ja unbedingt stellen müssen. Sie hatte gedacht, sie wäre bereit, das zu hören, was Gran ihr schon seit so langer Zeit sagen wollte, aber plötzlich war sie sich nicht mehr sicher. Vielleicht blieben einige Fragen besser unbeantwortet. Es machte das Leben auf jeden Fall einfacher, und vielleicht war einfach schlichtweg besser. Schließlich war es ja nicht so, als könnte sie die Antworten wieder vergessen, wenn sie sie einmal gehört hatte. Wollte sie wirklich etwas wissen, was ihr Leben noch komplizierter machen konnte, als es jetzt schon war? Oder anders formuliert, war es wirklich klug, in etwas herumzustochern, was ihr Leben auf unvorhersehbare Art verändern und was sie vielleicht nicht kontrollieren konnte?
Natürlich war die Frage vielmehr, ob sie überhaupt noch eine Wahl hatte.
Die Versteigerung hatte sie von dem geraden Weg abgebracht, für den sie sich entschieden hatte, hatte sie von den Füßen gerissen und auf einem neuen und unvertrauten Weg abgesetzt, der enge Kurven hatte, um die sie nicht blicken konnte, und anscheinend nirgendwo endete. Sie konnte ihn nicht verlassen, und sie konnte sich auch nicht umdrehen und einfach zurückgehen. Sie musste weitergehen und bestmöglich zurechtkommen. Und nun wusste sie auch noch, dass irgendwo im Hintergrund Pavane lauerte und wartete. Sein Versprechen, dass sie ihn schon bald wiedersehen würde, hatte eher wie eine Drohung geklungen … eine Drohung, von der sie nicht glaubte, sie umgehen oder davor weglaufen zu können.
Also lautete die Antwort nein. Sie hatte keine Wahl. Sie musste diese Drohung ernst nehmen und dementsprechend handeln.
Ein Teil von ihr wollte es nicht hören … und wollte nicht hören, was Gran zu sagen hatte. Dieser Teil wollte sich unter der Bettdecke verkriechen, bis das Problem sich von allein löste, zum Guten oder Schlechten. Aber ein anderer, mutigerer Teil hatte reagiert, als Gran vom Stolz der T’airnas gesprochen hatte, und dieser Teil empfand mit jeder Minute mehr Wut und Verbitterung über Pavane. Der Mann verdiente es, für das zu zahlen, was er ihrer Familie und Hazard und wahrscheinlich noch unzähligen anderen angetan hatte. Er war ein Raubtier, und sie hatte über genug menschliche Raubtiere berichtet, um zu wissen, dass er weiterhin anderen weh tun würde, bis ihn jemand aufhielt. Wenn dieser Jemand sie sein sollte, dann wusste sie es zumindest jetzt. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt und so weiter.
Sie sehnte sich vielleicht nach einem einfachen Ausweg, aber gleichzeitig neigte sie nicht dazu, ihn dann wirklich zu nehmen, oder wegzulaufen und sich zu verstecken. Sie war eine Überlebenskünstlerin. Sie hatte schon früher in ihrem Leben Tragödien und Krisen überstanden, und sie würde auch diese überleben. Sie seufzte, holte tief Luft und fügte sich ins Unvermeidliche.
»Erzähl mir von der Prophezeiung«, sagte sie zu Gran.
»Ich habe etwas Besseres«, antwortete ihre Großmutter und stand langsam auf. »Komm mit.«
Eve folgte ihr in ihr Schlafzimmer.
Ihre Großmutter deutete auf das Bett aus altem Kirschholz, dessen Pfosten von geschnitzten Ananas gekrönt wurden. Eine davon hatte Bissspuren, weil Chloe als Kind versucht hatte, hineinzubeißen.
»Setz dich«, befahl sie.
Eve gehorchte.
Gran nahm ein Kästchen mit Einlegearbeiten und Messingverzierungen von ihrer Kommode, setzte sich ebenfalls und stellte sie zwischen
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