Das Amulett des Dschinns
er. „Und ja.“
„Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Weißt du was, so langsam habe ich keine Lust mehr auf deine Geschichten.“ Sie wandte sich ab, ging auf die Tür zu – und schrie auf, als Tahir plötzlich direkt vor ihr stand, obwohl er nicht an ihr vorbeigegangen war.
Erschrocken taumelte sie zurück. „Wie hast du das gemacht?“
„Ich sagte doch: Ich bin ein Dschinn“, erklärte er gelassen, ging an ihr vorbei und setzte sich aufs Bett. Mit der flachen Hand klopfte er auf die Matratze, doch Lauren schüttelte den Kopf. „Also, was ist jetzt?“, fragte er dann. „Hast du einen Wunsch, den ich dir erfüllen soll, oder bist du mit deinem Leben wunschlos glücklich?“
Sofort musste Lauren an Kylie, Teri und die ganze Clique denken und daran, wie sie andauernd von ihnen tyrannisiert wurde. Nein, davon, dass sie glücklich war, konnte im Moment wirklich keine Rede sein.
Trotzdem glaubte sie nicht, dass Tahir ihr helfen konnte, ihr Leben in Ordnung zu bringen, ganz gleich, welche Taschenspielertricks er sonst noch beherrschte.
Lauren wollte gerade etwas Entsprechendes erwidern, als plötzlich die Zimmertür aufgerissen wurde und Teri lallend und kichernd ins Zimmer stolperte.
Als sie sich wieder zu Tahir umwandte, war er verschwunden.
Verlässt man die Altstadt von Marrakesch in südlicher Richtung, stolpert man fast unweigerlich über die Ruinen des El-Badi-Palastes. Sein arabischer Name bedeutet so viel wie „der unvergleichliche Palast“, wobei die Spuren seiner einstigen Herrlichkeit inzwischen zwar verblichen, aber noch immer sichtbar sind.
„Heute lassen die gewaltigen Mauerreste die frühere Pracht des zwischen 1578 und 1608 erbauten Palastes nur noch erahnen“, erklärte Professor Johnson, der die Studentengruppe auch bei diesem Ausflug anführte, und machte eine weitgreifende Geste. „Aber man muss sich vor Augen halten, dass dies alles hier in den hundert Jahren seiner Blütezeit der Inbegriff von Luxus und Wohlstand war. Kunstvolle Mosaike zierten damals die Fußböden und handbemalte Kacheln die Wände. Onyx, Gold und kostbarer italienischer Marmor. Keine Mühen waren Ahmed Al-Mansour, dem Herrscher der Saaditen-Dynastie, zu groß, keine Kosten zu hoch …“
Lauren hörte nur mit einem Ohr hin, während der Professor über die glanzvolle Vergangenheit der Ruine referierte, die sie heute besuchten. Sie ließ ihren Blick über die ockerfarbenen Sandsteinmauern schweifen, auf deren Kuppen Störche brüteten, und versuchte, sich besser zu konzentrieren. Doch obwohl sie eigentlich sehr interessiert an der marokkanischen Geschichte, war, gelang es ihr einfach nicht.
Stattdessen kreisten ihre Gedanken ununterbrochen um das, was sie in der vergangenen Nacht erlebt hatte. Und vor allem um die Frage, ob sie es überhaupt erlebt hatte.
Denn da war sie sich rückblickend alles andere als sicher. Und war das ein Wunder? Ein attraktiver Typ, der spätabends einfach in ihrem Zimmer auftauchte und behauptete, eine Art Flaschengeist zu sein? Und der ihr zum Dank, weil sie ihn befreit hatte, jeden Wunsch erfüllen wollte? Das klang ja wohl kaum nach einem Erlebnis, das sich tatsächlich zugetragen hatte. Zumal er sich, sobald Teri ins Zimmer gekommen war, von einer Sekunde auf die andere in Luft aufgelöst hatte.
Nein, nein, das musste sie sich einfach eingebildet haben. Aber warum war dann alles so real gewesen?
„Was ist los mit dir?“, raunte Prue ihr zu und holte sie damit wieder in die graue Realität zurück. Einer Realität, in der sie sich mit Kylie und Teri herumschlagen musste, anstatt sich von einem gut aussehenden Jungen jeden Wunsch von den Augen ablesen zu lassen. „Du wirkst total abwesend. War’s so schlimm gestern Nacht mit Teri?“
Lauren seufzte. „Schlimm ist gar kein Ausdruck. Als sie nach Hause kam, war sie voll bis unter die Dachkante. Sie hat noch bis kurz nach vier Musik gehört und dabei lautstark mitgegrölt. Wahrscheinlich bin ich deshalb auch ein bisschen neben der Spur.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Viel Schlaf hab ich jedenfalls nicht bekommen.“
„Du Ärmste!“ Mitfühlend schaute Prue sie an. „Ich wünschte wirklich, der Prof hätte sich nicht diese dumme Regelung einfallen lassen. Mir geht es auch total gegen den Strich, dass wir nicht in einem Zimmer wohnen können. Ich hatte mich so darauf gefreut, diese zwei Wochen mit dir zu verbringen. Aber da kann man wohl nichts machen, was?“
„Nein“,
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