Das Amulett von Gan (German Edition)
lockerer. Fast hätten sie vergessen, unter was für ernsten Umständen sie sich kennengelernt hatten. Da klopfte es an der Haustür. Alle verstummten. Wer mochte das sein?
»Ich schau mal nach«, sagte Daniel und stand auf. Wenige Augenblicke später kam er mit Farlon zurück.
»Ihr müsst unbedingt die Vorhänge zuziehen. Es wird schon dunkel, und jeder kann von draußen eure Gäste sehen«, sagte der Bürgermeister empört. »Das ist viel zu gefährlich!«
Tatsächlich, es war mittlerweile schon dunkel geworden. Sie hatten es bei ihrem gemütlichen Abendessen gar nicht bemerkt. Eilig zogen sie alle Vorhänge zu.
»Als ihr vorhin mit dem Heuwagen hier angekommen seid, kam mir das ja schon merkwürdig vor. Aber ich hielt liebermeinen Mund. In diesen gefährlichen Zeiten weiß man ja nie, was man laut sagen darf«, redete Farlon mit fester Stimme weiter. »Als ich aber gerade durch euer Fenster schaute und fremde Menschen am Tisch sitzen sah, musste ich doch handeln. Entschuldigt mein Eindringen, aber es erschien mir wichtig.«
»Lieber Farlon, jetzt setze dich erst einmal zu uns an den Tisch. Wir sind dir sehr dankbar für deine Besonnenheit und wollen dir gerne erklären, was geschehen ist. Draußen vor der Tür konnten wir das unmöglich tun, wie du gewiss verstehen wirst.« Daniel machte eine einladende Handbewegung, und Farlon setzte sich mit an den Tisch.
Daniel und Davina stellten nun dem Bürgermeister die Träger der Amulette und Alon vor und erzählten ihm in knappen Worten ihre Erlebnisse der letzten Tage. Farlon konnte kaum glauben, was er da alles hörte. Während der Geschichte kamen viele »Achs« und »Oh wehs« und genauso auch die »Wie gut«- und andere Erleichterungsrufe über seine Lippen. Es war wohl die spannendste Geschichte, die er seit Langem gehört hatte.
»Wie gut, dass ich vorhin meinen Mund gehalten habe. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ihr wegen meiner poltrigen Art entdeckt worden wärt.«
»Wir waren – ehrlich gesagt – auch sehr erleichtert«, bestätigte ihm Chika, die sich in ihrem Kopf gerade ausmalte, was alles hätte passieren können. Alon legte daraufhin seinen Arm um ihre Schulter. Mittlerweile kannte er Chika gut und wusste um ihren heldenhaften Mut, aber genauso kannte er auch ihre Ängstlichkeit, die sie immer neu überwinden musste.
»Wie wollt ihr nun weiter vorgehen?«, fragte der Bürgermeister die Gefährten.
Finn antwortete sachlich: »Zunächst einmal müssen wir uns alle ausruhen. Morgen früh schauen wir dann nach, ob es Pendos Fuß besser geht …«
Pendo hatte die ganze Zeit nicht mehr an ihren Fuß gedacht. Sie betastete ihn vorsichtig, und tatsächlich: Er schmerzte nichtmehr ganz so sehr. »Wenn das weiterhin so gut heilt, ist er morgen bestimmt wie neu.«
»Wirklich?«, rief Alon erfreut. »Das wäre ja toll. Dafür werde ich den Lichtalben ein Extradankeschön zukommen lassen. Wie gut, dass sie uns ihre Medizin mitgegeben haben.«
Finn, der unterbrochen worden war, nahm den Faden wieder auf: »Ja, und dann gehen wir weiter Richtung Osten, zur Quelle der Lebensströme.«
»Kann mir jemand verraten, wie weit der Weg eigentlich noch ist? Wir laufen immer Richtung Osten, aber noch niemand hat uns erzählt, wie weit entfernt die Quelle liegt«, fragte Joe. Die Gefährten schauten erwartungsvoll zu den Erwachsenen. Sie waren bisher immer brav ihren Anweisungen und Vorschlägen gefolgt und hatten noch nicht einmal nach der Entfernung gefragt. Erst jetzt wurde ihnen klar, wie aufgeschmissen sie ohne die vielen Helfer gewesen wären, die ihnen bis jetzt immer wieder begegnet waren.
»Eigentlich ist es gar nicht mehr so weit. Unter normalen Bedingungen vielleicht eine Tagesreise, aber …«, begann Davina.
»… aber erstens müsst ihr versteckte Wege gehen, die nicht immer die kürzesten sind«, erklärte Daniel.
»Ja, und dann wird es auch immer gefährlicher, je näher ihr an euer Ziel herankommt. Die Quelle ist zurzeit der bestbewachte Ort in Gan«, setze Farlon fort. »Die Schwarzalben kontrollieren mittlerweile alle Dörfer, die ein oder zwei Tagesreisen von der Quelle entfernt sind. Überall, wo sie verdächtige Bewegungen sehen, kommen sie gefährlich nah heran. Heute früh ist ein Schwarzalb mitten durch unser Dorf gelaufen.«
»Mitten durchs Dorf?« Davina und Daniel waren entsetzt. »Jetzt verstehe ich den Beschluss des Dorfrates«, sagte Daniel.
»Aber dann haben wir doch gar keine Chance, durchzukommen!« Jeder spürte
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