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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan R. Bellem
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hörte deutlich, wie der Schamane die Anweisung erteilte, die übrigen Häuptlinge zu unterrichten.
    Gallak ergriff Ul‘goths Hand und beugte sich dicht an sein Ohr. »Verzeih, mein Freund. Ich wünschte, ich hätte dies verhindern können«, klagte er.
    »Sind wir allein?«, erklang die geflüsterte Stimme seines Königs.
    Gallak fuhr erschrocken hoch und blickte Ul‘goth mit einer Mischung aus Misstrauen und Freude an. »Ul‘goth!«
    »Leise!«, mahnte der Hüne den Freund und legte einen Finger an die Lippen. »Niemand darf erfahren, dass es mir besser geht.«
    »Was ist mir Grunduul?«
    »Grunduul am allerwenigsten«, fuhr Ul‘goth fort.
    Gallak runzelte die Stirn und nickte schließlich langsam. »Grunduul beruft die anderen Häuptlinge ein. Was soll ich tun?«
    »Gar nichts. Aber sorge dafür, dass auch der Mensch und seine Gefährten der Versammlung beiwohnen. Womöglich brauchen wir ihre Hilfe.«
    »Und was soll ich dann tun? Den Kriegern Bescheid geben?«
    »Nein«, sagte Ul‘goth leise, aber bestimmt. »Verhalte dich ruhig. Sollte mein Plan fehlschlagen, darf man nicht an dir zweifeln. Wenn ich scheitere, musst du König werden und unseren Plan zu Ende bringen.«
    »Die Ahnen haben dich wahrlich ausersehen«, sagte Gallak glücklich, ehe er das Zimmer verließ.
    Ul‘goth schloss die Augen. Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg , dachte er traurig. Schon wieder bringe ich Tod über meinesgleichen.
    * * *
    Tharador war mehr als überrascht, als Gallak persönlich im Arkanum auftauchte und sie bat, der eilig einberufenen Versammlung beizuwohnen. Bereits auf dem kurzen Marsch von dem Obelisken aus Obsidian zu dem großen Steinbau spürte er die Anspannung in der Luft. Zwar durften nur die Häuptlinge in das Gebäude, doch der Platz davor füllte sich bald mit Hunderten der kräftigsten Krieger.
    Und sie alle trugen ihre Waffen.
    »Ich befürchte fast, das Ergebnis da drinnen könnte zweitrangig sein«, stellte Khalldeg trocken fest, als er die kampfbereiten Orks musterte.
    »Die Wahl eines neuen Königs ist keine einfache Sache«, sagte Gordan. »Ul‘goth war ein starker Herrscher und hat alle hinter sich vereint. Selbst jene, die seine Ansichten nicht teilten.«
    »Noch ist Ul‘goth König«, warf Tharador ein.
    » Noch , ja«, betonte Khalldeg.
    Als sie die Menge erreichten, wurde offensichtlich, dass die Orks sie nicht passieren lassen wollten. Plötzlich teilte sich die grüngraue Masse, und Grunduul trat vor. Die Beine schulterbreit, in der Rechten seinen knorrigen Schamanenstab, baute er sich vor ihnen auf und funkelte sie aus zornigen Augen an. »Euch ist der Besuch der Versammlung nicht gestattet!«
    Khalldeg grunzte und wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, doch Tharador hob beschwichtigend die Hand. »Wir sind hier auf Geheiß des Statthalters Gallak!«, rief er dem alten Ork entgegen.
    Grunduuls Lippen formten ein verschlagenes Grinsen, das seine Zähne, teils bereits stumpf und abgewetzt, aufblitzen ließ. »Dann sollt ihr eintreten dürfen!«, rief er ihnen mit gespielter Freundlichkeit zu.
    »Der heckt doch was aus«, stellte Khalldeg beiläufig fest. Er schritt als Erster voran und richtete dabei bohrende Blicke auf die umstehenden Orks.
    »Zweifellos eine Falle«, stimmte Gordan zu. »Aber für wen?«
    »Er glaubt, dass er uns im Beisein der anderen Häuptlinge leicht aus dem Weg räumen kann«, sprach Calissa aus, was sie alle dachten und zauderte kurz.
    Tharador legte den Arm um ihre Taille und schob sie behutsam vorwärts. »Keine Sorge«, versicherte er ihr. »So weit wird es nicht kommen.«
    Im Inneren der Kaserne hefteten sich die Augenpaare von nicht weniger als zehn Häuptlingen auf sie, und Tharador fürchtete einen Lidschlag lang, ihr Plan könnte fehlschlagen.
    Grunduul wies ihnen einen Platz an einer der Seitenwände zu, während er selbst sich ans Kopfende einer imaginären Tafel stellte. Was ist wohl aus dem langen Holztisch geworden, den wir früher für Besprechungen benutzt haben? dachte Tharador, richtete jedoch die Aufmerksamkeit sogleich wieder auf die Versammlung der Orks.
    Grunduul reckte seinen Stab kurz in die Luft; die Häuptlinge erwiderten den Gruß, indem sie ihre blanken Waffen präsentierten.
    »Ich habe euch alle zu dieser Versammlung gebeten, weil wir über die Zukunft unseres Volkes abstimmen müssen!«, krächzte Grunduul laut.
    »Ul‘goth wird sterben!«, schrie ein junger Häuptling dazwischen, der zuvor eine grässliche Waffe gezogen hatte.

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