Das Amulett
für Gallak, es zu beweisen.
Als er jedoch genauer darüber nachdachte, sah er ein, dass trotz aller Notwendigkeit einer Einigung nicht Gallak – oder irgendein anderer Ork – derjenige sein konnte, der den nach wie vor als Gefangenen geltenden Menschen die Nachricht überbrachte. »Lasst mich mit ihnen reden«, bot Gordan sich schließlich an.
»Und was wollt Ihr ihnen sagen?«
Gordan dachte einen Augenblick nach. »Ich werde ihnen sagen, dass sie nichts zu befürchten haben«, erklärte er schließlich. »Dass der Krieg vorbei ist und wir trotz allem, was geschehen ist, gemeinsam an einer friedlichen Zukunft arbeiten müssen.«
»Dann solltet Ihr sehr vorsichtig sein«, meinte Gallak skeptisch. »Ich kann Euch keine Soldaten zum Schutz mitgeben, sie würden die Wut der Menschen nur zusätzlich anstacheln.«
»Ich werde keinen Schutz benötigen«, beruhigte Gordan den Ork.
»Was wird danach geschehen?«, fragte Gallak besorgt.
»Wonach?«
»Wenn es Frieden gibt«, fuhr er fort. »Wo sollen wir hin? Wir können nicht länger in den Bergen hausen wie wilde Tiere.«
Gordan lächelte freudig. »Das Land ist doch groß genug!«, rief er aus. »Surdan hat die Menschen aus den umliegenden Ländern angezogen wie das Licht die Motten. Sucht euch ein freies Fleckchen Erde und beginnt, Felder zu bestellen, Tiere zu jagen, Handel zu treiben. Lebt euer Leben in Frieden. Es wird Zeit, dass wir im Namen der Götter erneut zusammenfinden.«
»Für eine bessere Zukunft«, schloss Gallak nickend.
Für eine bessere Zukunft , dachte Gordan, als er den Statthalter verließ. Oder die Möglichkeit, der drohenden Dunkelheit zu entgehen.
Er wusste nicht, wo Tharador und die anderen sich befanden. Da er fürchtete, ein fremder Magier könnte seiner Spur folgen, wagte er nicht, nach der Aura des Paladins zu suchen. Möglicherweise war Malvners Mörder kein Einzeltäter. Was, wenn er ähnlich vorgeht wie Xandor? Was, wenn er den Getöteten ihre Kraft entzieht? Ich darf nicht zulassen, dass es einen Nachfolger Xandors gibt , dachte er.
Er würde mit den Menschen aus Surdan reden, und er würde in Malvners Turm nach Anhaltspunkten auf dessen Gegner suchen. Das war er dem alten Freund schuldig, auch wenn er sich mit jedem Zauber, den er wirkte, der Gefahr durch andere Magier aussetzte. Gordan bezweifelte nicht, dass er es mit jedem Gegner aufnehmen könnte, aber um Dezlot und Tharador sorgte er sich. Fände man ihn, würde man seiner Spur zu den beiden folgen können.
Malvners Mörder zu finden, war dem alten Magier ein wichtiges Anliegen. Er hatte unzählige Bücher, Schriftrollen und Folianten nach Möglichkeiten durchsucht, eine magische Aura auch dann noch aufzuspüren, wenn der sie erzeugende Zauberspruch lange zurücklag. Erst am Vortag hatte er geglaubt, einen entscheidenden Hinweis gefunden zu haben, musste dann jedoch feststellen, dass es nur der Text eines Scharlatans gewesen war. Ihm lief die Zeit davon, dennoch würde er nicht aufgeben. Gordan würde Malvners Mörder finden und so weitere Gräuel verhindern.
Doch davon brauchte Dezlot nichts zu wissen. Es war besser für den Jungen, wenn er seinen Rachegelüsten nicht nachgab.
Spurensuche
Als die ohnehin schon schwachen Sonnenstrahlen der Dunkelheit und einem unerbittlich kalten Wind wichen, erreichten sie müde einen geeigneten Lagerplatz. Sie hatten über den Tag verteilt nur wenig gesprochen – wie jeden Tag. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Lantuk führte ständig einen inneren Kampf gegen den Hass, den er auf Ul‘goth verspürte. Der Ork stand stellvertretend für all das Leid, dass die Menschen in Ma‘vol durch die Goblins erlitten hatten.
Ul‘goth wiederum bekam durch den jungen Menschen einen Spiegel vorgehalten, in dem seine früheren Taten als grausam und verwerflich erschienen. Der Orkkönig war damals ausgezogen, um seinem Volk eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dabei hatte er übersehen, dass seine Handlungen das Leben von so vielen anderen beeinflussen würden, von Opfern des Krieges, die schon bald in Vergessenheit geraten würden. Doch nicht für ihn. Ul‘goth würde seine Fehler nie vergessen können.
Tharador fühlte sich, seit er an diesem Morgen den Schlüssel zu seiner inneren Kraft erlangt hatte, wie neugeboren. Nun war ihm bewusst, was in ihm steckte. Er war nicht länger ein Mensch, zufällig der Sohn eines Engels, durch den sich willkürlich Kraft entlud – er war der Paladin, den Gordan ihm schon längst offenbart hatte.
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