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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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eines der wenigen geschmackvollen
    Stücke aus dem allgemeinen Angebot hervorstach. Ein hübsches Hochzeitsgeschenk für Gwen -
    sollte es zu der Heirat mit Dave Tanner jemals kommen.
    Später ging sie zur Fußgängerzone hinüber. Sie kaufte einen weichen
    wollenen Schal für Colin und eine Strickmütze für sich selbst. Beides bezahlte sie von seinem Geld, und dieses Umstands war sie sich
    schmerzlich bewusst. Früher hatte sie ihr eigenes Einkommen gehabt. Colin hatte noch nie ein
    Thema daraus gemacht, dass es inzwischen er allein war, der für alles aufkam, der die
    Hypotheken für das Haus in Leeds abbezahlte, der die Lebenshaltungskosten bestritt, der das
    Hundefutter und die Tierarztrechnungen beglich und natürlich auch für die Ferien auf der
    Beckett-Farm aufkam.
    Zum ersten Mal dachte sie, dass es möglich sein könnte, einen Job zu finden. In den Schuldienst
    würde sie nicht zurückkehren können, aber es mochte sich etwas anderes für sie finden. Dann
    könnte sie Colin entlasten und sich gelegentlich persönliche Wünsche erfüllen, ohne ein
    schlechtes Gewissen zu haben.
    Ihr Rauswurf von damals stellte vielleicht gar nicht das Ende von allem dar. Auch wenn sie es
    so empfand, vom ersten Moment an so empfunden hatte. Und nie gewusst hatte, wie sie die Lähmung
    besiegen sollte, in die sie gestürzt worden war.
    Vielleicht schaffe ich es, dachte sie, während sie in ein Schaufenster starrte, hinter dessen
    Scheibe Kerzenleuchter und antiker Schmuck ausgestellt wurden, was sie aber gar nicht wahrnahm.
    Wenn es mir irgendwie gelingt, den ersten Schritt zu tun, ich glaube, dann könnte ich ...
    «
    »Mrs. Brankley«, sagte eine Stimme hinter ihr, und sie fuhr herum, tief erschrocken, weil sie
    so sehr versunken gewesen war in ihre sorgenvolle, grüblerische Zukunftsplanung. Mit
    gerunzelter Stirn betrachtete sie die junge Frau, die hinter ihr stand. Sie war sicher, sie zu
    kennen, aber sie vermochte sie nicht auf Anhieb einzuordnen.
    »Ja?«, fragte sie.
    Die andere errötete leicht. »Ena«, sagte sie, »Ena Witty.« Endlich erinnerte sie sich. Der
    Schulhof der Friarage School an jenem stillen Nachmittag wenige Tage zuvor. Die Menschen, die
    aus dem Gebäude kamen, Teilnehmer des Kurses, den Gwen absolviert hatte. Ena Witty war eine von
    ihnen gewesen. Gwen hatte sie einander vorgestellt.
    »Ach, Miss Witty«, sagte sie, »ich erinnere mich! Letzte Woche, die Schule ... «
    »Gwen Beckett war noch dabei«, sagte Ena, »und Stan, mein Freund. Wir haben uns eine Weile
    unterhalten ... «
    »Natürlich, ich weiß das noch gut«, sagte Jennifer, obwohl sie sich erinnerte, dass Ena selbst
    kaum ein Wort gesprochen und nur ihr Freund ziemlich viel geredet hatte. »Das war eine nette
    Begegnung.« Ihr fiel der Anruf vom Vortag ein. »Miss Witty, meine Güte, mein Mann sagte mir
    gestern, dass Sie angerufen haben und Gwen sprechen wollten. Es tut mir leid, aber Gwen ist bis
    jetzt nicht nach Hause gekommen, jedenfalls war sie noch nicht da, als ich in die Stadt
    aufbrach. Wir konnten ihr daher noch nicht ... «
    »Das macht doch gar nichts«, unterbrach Ena sofort. »Ich habe ohnehin ewig
    hin und her überlegt, ob ich Gwen überhaupt belästigen soll. Ich habe in der Zeitung von Gwens
    Verbindung zu dieser ermordeten Frau gelesen - Barnes hieß sie, oder? Gwen hat natürlich jetzt
    ganz andere Dinge im Kopf, aber ... « »Wir sind alle ziemlich durcheinander«, gab Jennifer zu.
    »Wie gesagt, ich kann mir das sehr gut vorstellen. Ich hätte auch nicht angerufen, wenn ich
    nicht ... Ich schlage mich mit einem ziemlich großen Problem herum, und ich habe einfach
    niemanden, mit dem ich darüber sprechen könnte. Ich kenne Gwen ja noch nicht so lange, wir haben uns erst in diesem Kurs
    getroffen, aber ich fand sie vom ersten Moment an recht nett, und da dachte ich ... ich wollte
    einfach mal kurz mit ihr reden ... sie kennt ja auch Stan ein wenig, meinen Freund, weil er
    immer in die Schule kam, um mich abzuholen ... «
    »Das kriegen wir schon hin«, versicherte Jennifer und sah bestätigt, was sie insgeheim vermutet
    hatte: Enas Problem, das sie so gern mit jemandem bereden wollte, hieß Stan. Der dominante Typ,
    der vermutlich wie ein Orkan in ihr stilles Dasein gebraust war und Lebendigkeit, aber
    wahrscheinlich auch eine Menge Schwierigkeiten hineingetragen hatte.
    »Sowie ich Gwen sehe, sage ich ihr Bescheid, und sie wird Sie dann gleich anrufen. Es wird ihr
    auch gut tun, über etwas anderes zu sprechen

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