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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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als ewig nur über das, was da draußen auf der Farm
    passiert ist.«
    Ena schien ein wenig erleichtert, und dann gab sie sich sichtlich einen Ruck. »Ich möchte nicht
    aufdringlich sein, aber falls Sie ... falls Sie gerade nichts anderes vorhaben ... Hätten Sie
    Lust, irgendwo einen Kaffee mit mir zu trinken?«
    Jennifer nahm an, dass es Ena eine Menge Mut kostete, diesen Vorschlag zu machen. An dem Kurs
    in der Friarage School hatte sie schließlich teilgenommen, weil ihr vermutlich im Alltag gerade
    derartige Dinge unermesslich schwer fielen: jemanden, der ihr sympathisch, aber noch ziemlich
    fremd war, einfach zum Kaffeetrinken aufzufordern.
    So viele Menschen, dachte sie, schlagen sich tagtäglich mit allen nur denkbaren Ängsten, mit
    Schüchternheit und Selbstzweifeln herum, und bei so vielen davon käme niemand darauf, dass sie
    sich schrecklich quälen.
    Sie mochte Ena nicht abblitzen lassen.
    Mit einer umständlichen Bewegung streifte sie den Ärmel ihrer Jacke zurück und schaute auf ihre
    Armbanduhr. Es war fast halb eins, im Grunde zu früh, um nach Hause zurückzukehren. Und einen
    Kaffee hatte sie sowieso trinken wollen, wenn auch in Ruhe und allein. Sie hatte das Gefühl,
    dass Ena unter großem Druck stand, und dass sie, wäre sie erst einmal ein wenig aufgetaut,
    möglicherweise dazu übergehen könnte, all ihre Sorgen, speziell diejenigen, die sich aus ihrer
    noch so jungen Beziehung mit Stan Gibson ergaben, vor ihrer neuen Bekannten auszubreiten.
    Jennifer war nicht sicher, ob sie dafür im Augenblick die richtige Gesprächspartnerin war. Sie
    wälzte selbst so viele schwerwiegende Probleme.
    »Nun«, sagte sie, »ich denke ... «
    Ena spürte ihr Zögern. »Bitte. Ich ... wäre wirklich froh darüber.«
    Jennifer hatte Hilfesuchende noch nie abweisen können, und sie begriff plötzlich, dass dies
    genau der Kern der Situation war: Ena bat um Hilfe. Sie hatte nicht einfach irgendein
    läppisches Problem. Sie bat ernsthaft um Hilfe.
    »Okay«, sagte sie resigniert, »trinken wir einen Kaffee zusammen.« Immerhin hatte sie heute
    viel über erste Schritte nachgedacht, und ein erster Schritt in ihrem persönlichen Fall mochte
    darin bestehen, sich wieder auf Menschen einzulassen, statt ihnen auszuweichen.
    Vielleicht konnte sie Ena Witty tatsächlich helfen. Und sei es nur dadurch, dass sie sich
    bereit erklärte, ihr zuzuhören.
    Vielleicht würde Ena dann heute Abend mit dem guten Gefühl schlafen gehen können, dass es doch
    noch Menschen gab, die sich für sie und ihre Belange interessierten.
    Jennifer bes chloss, sich darüber zu
    freuen.
    »Ja, das ist schade«, sagte Valerie Almond, »ich hätte wirklich gern mit Ihrer Frau gesprochen,
    Mr. Brankley.«
    Sie standen einander an der Haustür der Farm gegenüber. Colin hatte sie nicht hereingebeten,
    hatte nur kühl erklärt, Jennifer sei nicht daheim.
    Wann sie denn wiederkomme, hatte Valerie wissen wollen, und er hatte mit den Schultern
    gezuckt.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte er nun, »aber ich werde meiner Frau ausrichten, dass Sie
    sie sprechen wollten.«
    Valerie registrierte die Feindseligkeit in seinem Tonfall. Er durchschaute sie, hatte
    begriffen, dass sie dabei war, sich in Jennifer zu verbeißen.
    »Ich habe herausgefunden, dass Amy Mills nicht immer die Schule besucht hat, auf der sie auch
    ihren Abschluss machte«, sagte sie, »zwei Jahre lang ging sie auf die Schule, an der Ihre Frau
    in Leeds unterrichtete.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde konnte er seine Überraschtheit nicht verbergen. Er schien davon
    nichts gewusst zu haben. Was nicht automatisch bedeutete, dass es auch Jennifer nicht bekannt
    gewesen war. Womöglich erzählte sie ihrem Mann nicht alles.
    »Ach ja?«, meinte er dann. Er musterte Valerie durch seine runden Brillengläser. Er hatte kluge
    Augen, wirkte wie ein Mann, dem viel mehr und viel tiefere Gedanken durch den Kopf gingen, als
    es sein unscheinbares Äußeres vermuten ließ.
    Er ist hochintelligent, dachte Valerie, und er ist beileibe nicht nur der freundliche
    Biedermann, der er auf den ersten Blick zu sein scheint.
    »Sie hat Ihnen gegenüber niemals eine Andeutung in der Art gemacht, dass sie Amy Mills
    zumindest flüchtig kannte? Oder wenigstens dem Namen nach?« »Nein, Inspector. Sie hat mir
    gegenüber nichts anderes verlauten lassen als das, was sie auch bei Ihnen aussagte.« Frustriert
    wandte Valerie sich ab. »Ich komme wieder«, sagte sie. Sie fragte sich, ob er mauerte oder

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