Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
Vom Netzwerk:
Bild entsprach, das sie sich schon immer von ihrem künftigen Bräutigam ausgemalt
    hatte. Manchmal rührte sie ihn fast. Und dann wieder fragte er sich, ob es das wirklich wert
    war.
    »Möchtest du Dad noch begrüßen?«, fragte
    sie.
    Er
    verzog das Gesicht. »Eigentlich lieber nicht. Er zeigt mir immer so deutlich, dass er mich
    nicht besonders mag.«
    Gwen
    unternahm nicht den Versuch, dies abzustreiten. »Du musst ihn ein bisschen verstehen, Dave. Er
    ist ein alter Mann, und das alles geht zu schnell für ihn. Wenn er sich überrumpelt fühlt,
    verschließt er sich noch mehr als sonst. Das war schon immer so.«
    Sie
    stiegen in Daves klappriges Auto, das wie üblich eine Weile herumzickte, ehe es ansprang. Er
    fragte sich zum wiederholten Mal, wie lange der Haufen Rost auf vier Rädern überhaupt noch
    mitspielen würde.
    »Wohin
    fahren wir?«, fragte Gwen, als sie aus der Einfahrt rollten, deren großes, braunes Holztor ganz
    schief in den Angeln hing. Es ließ sich seit Jahren nicht mehr schließen, aber niemand kümmerte
    sich darum. Wie sich auf der Beckett-Farm, dem seit Generationen vererbten Familienbesitz der
    Becketts, überhaupt niemand mehr um etwas zu kümmern schien - sei es aus Unvermögen oder weil
    es an Geld fehlte.
    »Lass
    dich überraschen«, entgegnete Dave geheimnisvoll, aber er hatte selbst noch keine Ahnung und
    hoffte auf eine spontane Eingebung.
    Gwen
    lehnte sich zurück, setzte sich jedoch gleich wieder aufrecht in ihren Sitz. »Heute war diese
    Polizeibeamtin im Fernsehen, Detective Inspector Sowieso, die im Fall Amy Mills ermittelt. Du
    weißt, dieses Mädchen ... «
    Fast
    drei Monate war es her, seit man die schrecklich zugerichtete Leiche der einundzwanzigjährigen
    Studentin in den Esplanade Gardens in Scarborough gefunden hatte, und noch immer sprachen die
    Leute in der Umgebung fast täglich davon. Schon seit langem war etwas Derartiges hier nicht
    mehr passiert. Der Täter hatte sein Opfer an den Schultern gepackt und den Kopf mehrfach heftig
    gegen eine Steinmauer geschlagen, und Einzelheiten, die auf unerklärliche Weise aus der
    Gerichtsmedizin in die Presse gelangt waren, hatten die schockierte Öffentlichkeit wissen
    lassen, dass er zwischendurch immer wieder innegehalten hatte, um sein bewusstloses Opfer zur
    Besinnung kommen zu lassen, ehe er mit sich steigernder Kraft in seinem Tun fortfuhr. Amy Mills
    hatte mindestens zwanzig Minuten lang bei immer wiederkehrendem Bewusstsein gelitten, ehe sie
    endlich gestorben war.
    »Natürlich weiß ich, wer Amy Mills ist«,
    sagte Dave, aber ich habe heute nicht ferngesehen. Gibt es etwas Neues?«
    „Da war
    eine Pressekonferenz. Der Druck auf die ermittelnden Beamten ist wohl sehr stark, daher mussten
    sie sich der Öffentlichkeit wieder einmal präsentieren. Aber im Endeffekt kam heraus, dass sie
    nichts haben. Keine Spur, keinen Anhaltspunkt. Nichts.«
    „Muss
    ja ein ganz schön irrer Typ gewesen sein, der Täter«, meinte Dave.
    Gwen
    zog schaudernd die Schultern hoch. „Wenigstens wurde sie nicht vergewaltigt. Das zumindest
    musste sie nicht auch noch ertragen. Aber dadurch tappt die Polizei auch völlig im Dunkeln bei
    der Frage nach dem Motiv.«
    „Auf jeden Fall war es
    nicht klug von ihr, nachts allein durch diese Einsamkeit zu laufen«, meinte Dave. „Die
    Esplanade Gardens - was für eine gottverla ssene Gegend zu dieser
    späten R unde!« »Um Geld kann es auch
    nicht gegangen sein«, berichtete Gwen. »Oder um Schmuck. Ihr Geldbeutel war noch in der
    Handtasche, und ihre Uhr und zwei Ringe trug sie ebenfalls. Man hat den Eindruck, sie ist ...
    wegen nichts gestorben!«
    »Glaubst du, es hätte sich für sie
    anders angefühlt, wenn er ihr wegen tausend Pfund den Schädel eingeschlagen hätte?«, fragte
    Dave etwas schroff und fügte, als er ihren erschrockenen Blick bemerkte, besänftigend hinzu:
    »Entschuldige. Ich wollte dich nicht nfahren. So oder so ist es kein schöner Gedanke, dass ein
    Verrückter in Scarborough herumläuft und Frauen scheinbar ohne jeden Grund umbringt. Aber wer
    weiß? Vielleicht war es eine Eifersuchtstat oder so etwas Ähnliches. Ein abgelegter Freund, der
    mit seinem Frust nicht klarkam ... Manche Leute rasten aus, wenn sie abgewiesen
    werden.«
    »Aber wenn es einen Exfreund von ihr
    gäbe, dem man so etwas zutrauen könnte, wüsste es die Polizei längst«, gab Gwen zu
    bedenken.
    Sie fuhren durch den dunklen
    Oktoberabend. Die Hochmoore von Yorkshire begannen hier bereits,

Weitere Kostenlose Bücher