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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Menschen, was nach Leslies
    Erfahrung wenige Männer taten.
    Aber vielleicht liege ich mit dieser
    Einschätzung völlig daneben, dachte sie.
    »Also, ich werde dir das alles ganz
    genau erzählen«, sagte Gwen, deren Stimme vor Freude und Erregung bebte, »aber zunächst möchte
    ich dich einladen. Wir feiern am Samstag eine Art ... Verlobung, und es wäre einfach das
    schönste Geschenk für mich, wenn du dabei sein könntest!«
    Leslie überlegte
    rasch. Für ein Wochenende war die Fahrt hinauf in den Norden etwas zu lang und zu umständlich,
    aber praktischerweise hatte sie ja gerade Urlaub. Sie könnte am morgigen Freitag bereits fahren
    und dann noch drei oder vier Tage anhängen. Yorkshire war ihre Heimat, sie war in Scarborough
    aufgewachsen, und sie war nun schon viel zu lange nicht mehr dort gewesen. Sie konnte bei ihrer
    Großmutter Fiona wohnen, die alte Dame würde sich sicherlich sehr freuen. Natürlich hatte sie
    eigentlich keine Zeit, weil die Frage des Nachmieters drängte, aber es wäre schön, der
    Vergangenheit wieder einmal einen Besuch abzustatten. Und wenn sie ehrlich war, platzte sie
    fast vor Neugier auf den Mann, der Gwen - ihre Freundin Gwen
    - heiraten wollte.
    »Hör zu, Gwen, ich glaube, das
    könnte klappen«, sagte sie. »So eine Scheidung ist doch ... na ja, jedenfalls würde die Reise
    mich auf andere Gedanken bringen, und das wäre nicht schlecht. Ich könnte morgen schon kommen.
    Ist das in Ordnung?«
    »Leslie, du glaubst nicht, wie
    glücklich mich das macht!«, rief Gwen. Sie klang anders als früher. Fröhlich und optimistisch.
    »Wir haben übrigens herrliches Wetter! Alles passt so gut zusammen.«
    »Hier in London regnet es«,
    sagte Leslie. »Noch ein guter Grund für eine Reise. Ich freue mich auf dich, Gwen. Und auf
    Yorkshire !«
    Kaum hatten die beiden Frauen
    das Gespräch beendet, klingelte Leslies Apparat erneut. Diesmal war es Stephen. Wie immer, wenn
    er mit ihr sprach, klang er traurig. Er hatte die Trennung und die Scheidung nicht gewollt.
    »Hallo, Leslie. Ich wollte nur wissen ... du bist heute schon wieder nicht da, und ... Na ja,
    ist alles in Ordnung?« »Ich habe drei Wochen Urlaub genommen. Ich ziehe um und suche wie
    verrückt einen Nachmieter für unsere Wohnung. Du willst sie nicht zufällig haben?«
    »Du willst raus aus unserer
    Wohnung?«, fragte Stephen geschockt.
    »Sie ist einfach zu groß für
    mich allein. Und außerdem ... ich brauche einen Neuanfang. Neue Wohnung, neues
    Leben.«
    »So einfach funktioniert das
    meist nicht.« »Stephen ...«
    Er musste
    die beginnend e Ungeduld in ihrer Stimme ge hört haben, denn er lenkte sogleich ein. »Entschuldige. Das geht mich natürlich nichts
    an.« »Genau. Wir sollten versuchen, uns aus dem Leben des anderen wirklich herauszuhalten. Es
    ist schwierig genug, dass wir uns im Krankenhaus so oft über den Weg laufen, aber darüber
    hinaus sollte es keine Berührungspunkte mehr geben.«
    Sie arbeiteten beide als
    Ärzte an demselben Krankenhaus. Leslie hatte lange erwogen, sich eine neue Stelle zu suchen,
    aber nirgendwo hatte sie so ideale Bedingungen gefunden wie im Royal Marsden in Chelsea. Und
    schließlich war der Trotz in ihr erwacht: Sollte sie dem Mann, der sie betrogen und
    hintergangen hatte, auch noch ihre Karriere opfern?
    »Entschuldige Stephen,
    ich bin in Eile«, fuhr sie kühl fort. »Ich muss noch etliches erledigen, und morgen fahre ich
    für ein paar Tage nach Yorkshire. Gwen wird heiraten und plant für den Samstag ihre
    Verlobung.«
    »Gwen? Deine Freundin
    Gwen? Heiraten?« Stephen klang genauso verblüfft wie Leslie, als sie die Nachricht vernommen
    hatte. Sie dachte, wie demütigend sich das für Gwen anfühlen musste: Jeder, dem sie die
    Neuigkeit verkündete, fiel aus allen Wolken und konnte seine Überraschung nicht verbergen.
    Hoffentlich begriff sie die Verletzung nicht in vollem Umfang, die sich darin
    verbarg.
    »Ja. Sie ist
    überglücklich. Und wünscht sich nichts so sehr wie meine Anwesenheit bei ihrer Verlobung.
    Außerdem möchte ich ihren Zukünftigen natürlich bald kennen lernen.«
    »Wie alt ist sie jetzt?
    Mindestens Mitte dreißig, oder? Es wird wirklich Zeit, dass sie sich von ihrem Vater löst und
    ein eigenes Leben beginnt.«
    »Sie
    hängt eben einfach sehr an ihm. Im Grunde hatte sie immer nur ihn,
    und da ist diese enge Bindung vielleicht ganz normal.« »Aber nicht
    allzu gesund«, erwiderte Stephen. »Leslie, nichts gegen den alten Chad Beckett, aber es

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