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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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denke
    ich, dass überhaupt nie wieder in meinem Leben jemand mit solch unverbrüchlicher Treue an mir
    hing wie Brian Somerville.
    Der zweite Grund, weshalb ich nie anders als
    bedrückt und fast melancholisch über uns beide nachdenken konnte, liegt im Verlauf unseres
    Weges begründet, darin nämlich, dass es nie der gemeinsame Weg geworden ist, den ich mir
    erträumt hatte. Bis heute bin ich davon überzeugt, dass es unsere Bestimmung war, unser Leben
    gemeinsam zu verbringen. Ich bin mit dem Mann, den ich später geheiratet habe, nicht glücklich
    geworden, und du nicht mit der Frau, für die du dich, in reichlich fortgeschrittenem Alter,
    schließlich entschieden hast. Ich bin überzeugt, dass auf unseren jeweiligen Verbindungen kein
    Segen lag, eben weil sie nicht unserer Bestimmung entsprachen. Deshalb haben wir auch beide nur
    Enttäuschungen mit unseren Kindern erlebt: du mit Gwen, die zur weltfremden alten Jungfer
    geworden und nun drauf und dran ist, eine Ehe mit einem charmanten Heiratsschwindler
    einzugehen, der es nur auf ihren Besitz abgesehen hat und sie, darauf könnte ich wetten, noch
    vor der Verlobung nach Strich und Faden hintergeht. Und meine Tochter ... na ja, du weißt es
    ja.
    Hippiekommunen und
    Hasch und LSD, kein ordentlicher Be ruf,
    wildes Herumschlafen in allen Betten, und am schlimmsten fand ich die völlig verantwortungslose
    Art, die sie ihrer kleinen Tochter gegenüber an den Tag legte. Es hat mich nicht gewundert,
    dass sie schließlich an einer Überdosis Drogen und Alkohol gestorben ist, eigentlich habe ich
    es sogar erwartet. Aber natürlich hätte ich mir ein anderes Leben für sie
    gewünscht.
    Brian Somerville und die Tatsache, dass wir
    beide es nicht zu einem gemeinsamen Leben geschafft haben, hängen zweifellos zusammen. Ohne
    dass wir es in diesem Moment hätten überblicken können, entschied sich unsere Geschichte an
    jenem Augusttag im Jahr 1946, als ich mit dem platten Fahrrad deiner Mutter in die
    gespenstische Einöde von Gordon McBrights Farm strampelte und begriff, dass dort etwas
    Furchtbares geschah und dass wir würden eingreifen müssen. Ich habe dich, du erinnerst dich, am
    Abend jenes Tages darauf angesprochen. Unten in unserer Bucht.
    Aber es war nicht die romantische Stimmung
    des Abends zuvor, der voller Glück und Licht war, an dem wir einander wiederfanden, einander
    liebten und ich unsere Zukunft hell und strahlend vor uns liegen sah. Bei jenem zweiten Treffen
    gerieten wir in Streit. Ich berichtete dir von meinem Ausflug, und du nahmst es mir furchtbar
    übel, dass ich mich überhaupt auf den Weg gemacht hatte. Du bist sehr laut geworden und so
    aggressiv, dass ich schließlich in Tränen ausbrach. Damals konnte ich mir nicht erklären, was
    dich so gegen mich aufbrachte. Heute ist mir natürlich klar, dass es deine Angst war. Angst,
    ich könnte weitere Schritte unternehmen, könnte dir genau die Ungelegenheiten bescheren, die du
    so fürchtetest. Höhnisch und verächtlich hast du reagiert, als ich dir erklären wollte, wie
    greifbar das Böse, das Grauenvolle, das Verbrecherische für mich an jenem Ort gewesen war. Ich
    wagte sogar, dir von Brians Schreien zu berichten, die ich in meinem Kopf gehört
    hatte.
    Du wolltest das nicht annehmen. In deinen
    Augen habe ich fast Hass gesehen. Du hast mich als Feindin empfunden in jenen Momenten. Und als
    Bedrohung.
    Du hast mich wissen
    lassen, dass es nicht ein gutes Wort mehr zwischen uns geben würde, wenn ich die Somerville-Geschichte nicht ruhen ließe, dass
    die Beckett-Farm für mich verschlossen sein würde. Kurzum: Kein Kontakt mehr, nie mehr. Das
    Ende nicht nur unserer Liebe und unserer Freundschaft. Du würdest mich von da an nicht einmal
    mehr kennen.
    Ich will dir, indem ich dich und mich
    an jenen Abend erinnere, nicht die Schuld am Schicksal Brian Somervilles aufbürden. Selbst wenn
    ich mir zugestehe, erst siebzehn Jahre alt, verliebt, hilflos und unerfahren gewesen zu sein,
    überfordert damit, derlei angedrohte Konsequenzen zu ignorieren und aufrechten Ganges zu tun,
    was mein Gewissen mir vorschrieb - es hätte später, während all der Jahre, die ins Land gingen,
    immer wieder die Möglichkeit gegeben, mutig zu sein. Nachforschungen anzustellen, etwas zu
    unternehmen. Ich war nicht ewig siebzehn, ich konnte mich nicht ewig auf meine Jugend und die
    daraus resultierende Hilflosigkeit berufen.
    Irgendwann hätte mein Gewissen
    stärker sein müssen als ... ja, als was? Ich habe viel

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