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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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wieder einmal frustriert, unzufrieden. Rückte nicht recht mit der Sprache heraus,
    was ihm die Laune verhagelt hatte - aber offenbar hing es mit dem Streit zusammen, den Sie
    erwähnt haben. Auf jeden Fall sollte ich wieder nur als Ablenkung dienen. Mit ihm in die Kiste
    springen und ihm ein paar schöne Stunden bereiten. Und am nächsten Morgen wäre er aufgestanden
    und verschwunden und hätte sich tagelang überhaupt nicht mehr an mich erinnert. So lief es seit
    Juli. Und ich mochte mich dafür nicht mehr hergeben.«
    Reek
    hielt den Atem an. »Das heißt, Sie ... ?«
    Er
    beendete seine Frage nicht, aber Karen verstand ihn. »Ja. Das heißt, dass ich ein Glas Wein mit
    ihm trank, über irgendwelche Lappalien mit ihm redete, seinen Annäherungsversuchen widerstand
    und ihm dann erklärte, dass ich müde sei und nach Hause wolle. Allein.«
    »Er kam
    also nicht mit zu Ihnen?«
    »Nein.
    Ich wollte es nicht. Ich lehnte sogar sein Angebot ab, mich nach Hause zu fahren. Ich kenne
    seinen Charme nur zu gut. Ich wusste nicht, ob ich es schaffen würde, konsequent zu
    bleiben.«
    »Wissen
    Sie, was Sie da sagen? Sie erklären mir also, dass Mr. Tanner der Polizei gegenüber gelogen
    hat, was seine Angaben, Samstagnacht betreffend, angeht. Und weiter bedeutet Ihre Aussage, dass
    Mr. Tanner nun für den Zeitpunkt des Verbrechens an Mrs. Barnes kein Alibi mehr
    hat.«
    Sie blieb
    ruhig. »Kann sein. Ich sage Ihnen jedenfalls, wie es war.«
    »Es
    könnte passieren, dass Sie Ihre Aussage beeiden müssen.«
    Sie
    lächelte ein wenig. »Meine Aussage ist kein Racheakt an einem Mann, der mich verlassen hat,
    Sergeant Reek. Es ist einfach die Wahrheit. Ich hätte kein Problem, sie zu beeiden.«
    Reek
    schob seinen Notizblock und den Stift wieder in die Innentasche seines Jacketts. »Ich danke
    Ihnen für das Gespräch, Miss Ward. Sie haben uns sehr geholfen.«
    Sie
    blickte ihn traurig an. Reek dachte, wie trostlos sie sich fühlen musste: einen Haufen Anrufe
    von Tanner auf dem Handy, was vielleicht, bei aller Entschlossenheit, dieses Kapitel zu
    beenden, einen Funken Hoffnung in ihr entzündet haben mochte. Hoffnung auf einen Neuanfang, auf
    eine Veränderung im Verhalten des Mannes, den sie liebte. Um nun festzustellen, dass er sie nur
    einmal mehr hatte benutzen wollen, diesmal um sich der Polizei gegenüber abzusichern. Seit
    seiner Vernehmung durch Valerie Almond telefonierte Tanner offenbar wild hinter seiner
    Exfreundin her, um seine Aussage mit ihr abzusprechen und sie auf Kurs zu bringen. Pech gehabt,
    dachte Reek mit einer gewissen Schadenfreude. Pech, mein Freund, dass sie gerade jetzt
    beschlossen hat, auszuscheren. Du sitzt ganz schön in der Klemme! »Auf Wiedersehen, Miss Ward«,
    sagte er, und nach kurzem Zögern fügte er hinzu:
    »Erlauben
    Sie mir bitte eine persönliche Bemerkung: Trauern Sie Tanner nicht nach. Er ist es nicht
    wer«
    »Ich muss
    meinen Chef anrufen«, sagte Ena Witty, »ich will mir heute noch einmal frei nehmen, weil ich
    mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren kann.«
    Valerie
    nickte mitfühlend. Sie stand in Ena Wittys kleinem, sehr behaglich eingerichteten Wohnzimmer
    und hatte gerade das Angebot einer Tasse Kaffee abgelehnt. Sie hatte genug von dem Zeug in sich
    hineingeschüttet, schwarz, heiß und viel zu stark. Ihr Herz hämmerte zu schnell und fast zu
    laut, wie es ihr schien. Aber vielleicht strömte auch nur das Adrenalin in gewaltigen Mengen
    durch ihren Körper. Sie hätte vor Ruhelosigkeit am liebsten mit den Armen geflattert wie ein
    Vogel mit seinen Flügeln.
    Zu ihrer Überraschung war es jedoch Jennifer Brankley gewesen, die ihr die Tür geöffnet hatte,
    eine etwas zerknautscht wirkende Jennifer mit unordentlichen Haaren und unausgeschlafenem
    Gesicht. »Sind Sie schon da oder noch?«, hatte Valerie gefragt. Seltsam, dass es
    ihr nicht gelang, eine gewisse Abneigung gegen die Brankley zu unterdrücken.
    »Noch«,
    antwortete Jennifer. »Es ging Ena sehr schlecht gestern Abend, und sie war ganz verzweifelt bei
    der Vorstellung, hier allein schlafen zu müssen. Also habe ich meinen Mann angerufen, habe ihm
    alles erklärt und bin hier geblieben. Allerdings wird Gwen Beckett mich jetzt jeden Moment
    abholen. Sie wollte ein paar Einkäufe erledigen und nimmt mich dann mit zurück zur
    Farm.«
    »Hat
    sich Mr. Gibson gestern Abend oder heute Nacht hier gemeldet?«
    »Nein.«
    Im
    Wohnzimmer saß die blasse Ena am Tisch, vor sich einen Marmeladetoast, den sie offenbar

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