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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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nicht
    anrühren mochte. »War er es?« Das war ihre erste Frage, als sie Valerie sah. »Hat er es getan?
    Hat er Amy Mills umgebracht?«
    Valerie
    konnte dieser Frage nur ausweichen. »Wir wissen es nicht. Er streitet es ab, und einen
    durchschlagenden Beweis haben wir nicht.«
    Ena
    sah aus, als wisse sie nicht genau, ob sie sich freuen oder weinen solle. »Das heißt, es kann
    sein, er ist unschuldig?« »Vorläufig ist leider alles offen«, antwortete Valerie. Sie
    schüttelte den Kopf, als Jennifer ihr eine Tasse reichen wollte, nahm dann aber am Tisch
    gegenüber Ena Platz. »Wenn Sie sich heute frei nehmen«, sagte sie, »könnten Sie vielleicht
    mittags zu mir aufs Revier kommen. Es gibt noch etliche Fragen.«
    Ena
    nickte beklommen. »Sagen Sie«, fragte Valerie, »wo waren Sie am vergangenen Samstagabend?
    Erinnern Sie sich daran?«
    »Ja.
    Natürlich. Wir waren in London. Stan und ich. Samstag früh sind wir aufgebrochen, Sonntagabend
    kamen wir wieder in Scanborough an. Stan wollte mich seinen Eltern vorstellen. Warum?« »Es geht
    um Fiona Barnes, nicht?«, warf Jennifer ein. Valerie nickte. Die Überprüfung war reine
    Formsache gewesen. Sie hatte ebenso wenig wie Sergeant Reek geglaubt, dass Gibson gelogen
    hatte. Für den Mord an Fiona Barnes kam er definitiv nicht in Frage.
    »Es wäre gut, wenn Ihnen noch ein paar Details zu Mr. Gibson einfielen, Miss Witty«, sagte sie.
    »Alles kann wichtig sein. Sein Verhalten, Dinge , die er vielleicht
    einfach so dahingesagt hat. Auffälligkeiten ... oder auch
    Unauffälligkeiten. Alles. Scheuen Sie sich nicht, Banales zu erzählen. Oft gewinnt man gerade
    hieraus Erkenntnisse über einen Menschen.« »Ich kenne ihn ja noch nicht lange«, sagte Ena
    leise. „Lange genug, um ihn eigentlich bereits verlassen zu wollen«, warf Jennifer
    ein.
    Valerie sah Ena an. „Stimmt das? Sie wollten ihn verlassen?« „Ich ... habe es mir überlegt, ja.
    Ich war unsicher, aber ... « „Hing es mit seiner ... Leidenschaft für Amy Mills zusammen? Oder
    gab es andere Gründe?«
    „Mir machte seine dominante Art zu schaffen«, sagte Ena. „Es musste alles so gehen, wie er
    wollte. Immer. Er war reizend und fürsorglich, wenn man sich seinen Vorstellungen unterordnete,
    aber er wurde sehr wütend, wenn man ihm widersprach. Seine Stimme, sein Gesichtsausdruck, alles
    veränderte sich dann.«
    „Hatten Sie in solchen Momenten Angst vor ihm?«
    Ena zögerte. „Nicht direkt«, antwortete sie schließlich. „Aber ich konnte mir vorstellen, dass
    ich irgendwann Angst haben würde. Es schien sich zu steigern: Als ich ihm zum ersten Mal
    widersprach - es ging um irgendeine Lappalie -, reagierte er noch ziemlich beherrscht. Beim
    nächsten Mal kam er schon schlechter damit zurecht. Danach noch schlechter. Sie wissen schon
    ... ich fragte mich irgendwann, wohin das führen wird.«
    „Hatten Sie deswegen viel Streit?«
    Ena verzog das Gesicht. Sie wirkte deprimiert. „Ich bin keine Frau, die häufig widerspricht,
    Inspector. Leider. Deshalb habe ich auch diesen Kurs besucht, in dem ich Gwen Beckett kennen
    gelernt habe. Ich habe nie richtig gelernt, mich auf die Hinterbeine zu stellen. Ich denke,
    deshalb hat Stan mich auch ausgesucht. Und, nein, wir hatten nicht oft Streit. Darum hat es
    mich besonders erschreckt, wie zornig er bei den wenigen Gelegenheiten werden
    konnte.«
    »War es für Sie vorstellbar, dass er die Kontrolle verlieren könnte? Dass er gewalttätig werden
    könnte, wenn sich ein Mensch - eine Frau - seinen Plänen und Wünschen widersetzt?«
    »Das konnte ich mir vorstellen«, sagte Ena.
    Valerie nickte. Das Bild, das sie bereits von Stan Gibson hatte, rundete sich. Die Teile
    passten zusammen, fügten sich ineinander. In der Beweisführung brachte sie all dies jedoch
    leider keinen Schritt weiter.
    Sie stand auf »Danke, Miss Witty. Das war ein wichtiger Punkt. Seien Sie doch bitte um zwei Uhr
    bei mir auf dem Revier. Und notieren Sie sich alles, was Ihnen bis dahin einfällt.«
    Jennifer begleitete sie zur Tür. »Glauben Sie, er war es?«, fragte sie.
    Valerie hätte dies gern in aller Deutlichkeit bejaht, aber angesichts der dürftigen Beweislage
    war ihr das nicht möglich. »Was ich glaube, spielt leider keine Rolle«, sagte sie,
    »entscheidend ist, was ich beweisen kann. Und da bewege ich mich noch auf einem sehr
    unüberschaubaren Gelände.«
    »Auf Wiedersehen, Inspector«, sagte Jennifer.
    Valerie nickte ihr zu. Als sie unten auf die Straße trat,

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