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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Jahr darauf in genau der gleichen Situation wieder zu finden.
    Er schrak zusammen.
    Ganz in Gedanken versunken, hatte er nur aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf dem
    gepflasterten Hof vor dem großen Backsteinbau, in dem Karen Ward wohnte, wahrgenommen. Das kam
    davon, wenn man Weihnachtseinkäufe plante, an statt zu observieren. Er stieg rasch aus seinem
    Auto. Die junge blonde Frau, die gerade auf die Haustür zuging, hätte jede nur denkbare
    Bewohnerin dort sein können, aber seine Intuition sagte Sergeant Reek, dass es sich um Karen
    Ward handeln musste. Sie trug eine Reisetasche in der Hand, so als kehre sie von einer
    auswärtigen Übernachtung zurück. Was stimmen dürfte, da man sie bis in den späten Abend hinein
    nicht hatte zu Hause erreic hen können. Ziemlich waghalsig überquerte Reek im dichten Verkehr die Straße und stieß das Hoftor
    auf.
    »Miss Ward?«, rief er.
    Die Frau drehte sich um. Sie sah
    ziemlich übernächtigt aus, das fiel Reek sofort auf. »Ja?«, fragte sie. Er trat neben sie und
    hielt ihr seinen Ausweis hin. »Polizei. Sergeant
    Reek. Ich habe ein paar Fragen an
    Sie. Hätten Sie zehn Minuten Zeit für mich?« Sie schaute auf die Uhr. »Ich wollte mich nur
    schnell umziehen und dann gleich zur Uni ... «
    »Wirklich nur zehn Minuten«,
    wiederholte Reek.
    »Alles, was ich über Amy Mills
    weiß, habe ich Detective Inspector Almond bereits gesagt.« »Es geht diesmal um etwas anderes«,
    sagte Reek. Sie gab nach. »Okay. Möchten Sie mit hinaufkommen?«
    Die Wohnung war weitläufig, hell,
    extrem unordentlich und menschenleer. In der Küche stapelten sich schmutzige Geschirrberge in
    der Spüle. Leere Becher, eine Flasche Ketchup und ein Glas Mayonnaise standen auf dem mit
    Toastkrümeln übersäten Tisch. Lehmverkrustete Stiefel lagen, achtlos hingeworfen, neben der
    Tür. Es war klar, dass sich niemand von den hier lebenden Studenten bemüßigt sah, aufzuräumen,
    zu putzen und zu spülen.
    Vermutlich, dachte Reek, schiebt
    einer das dem anderen zu, und zum Schluss gewöhnt man sich daran, im Chaos zu leben.
    Ihn, den Ordnungsfanatiker und
    Pedanten, schüttelte es innerlich.
    »Tut mir
    leid, dass es so unordentlich ist«, sagte Karen, »wir haben einen Dienstp lan, wer wann mit Saubermachen dran ist, aber irgendwie
    klappt das nie. Setzen Sie sich doch. Möchten
    Sie einen Tee?«
    »Nein danke«, antwortete
    Reek, fegte unauffällig ein paar seltsam anmutende Nahrungsreste von einem Holzstuhl, setzte
    sich und kramte Notizblock und Stift hervor.
    »Ja, Miss Ward, wie gesagt,
    ich will Sie nicht lange aufhalten. Es geht lediglich um die Überprüfung einer
    Aussage.«
    Sie hatte ihm gegenüber
    Platz genommen. Er konnte sehen, dass ihre Augen leicht gerötet waren. Sie hatte wohl geweint
    in der letzten Nacht.
    »Ja?«, sagte
    sie.
    »Sie kennen Mr. Dave
    Tanner?« Sie zuckte zusammen. »Ja.«
    »Mr. Tanner behauptet, die
    Nacht vom vergangenen Samstag auf den Sonntag mit Ihnen verbracht zu haben. Und zwar von
    ungefähr zwanzig nach neun bis zehn Uhr im Golden Ball unten am Hafen, dann hier in Ihrer
    Wohnung. Bis um sechs Uhr am Morgen. Können Sie das bestätigen?«
    Ihre Hände schlossen sich
    um einen leeren Becher, der vor ihr stand, öffneten sich, schlossen sich wieder. »Ich
    verstehe«, sagte sie schließlich, »deshalb also meldet er sich seit gestern ständig auf meinem
    Handy. Die Telefonliste zeigt mindestens ein Dutzend Anrufe von ihm an.«
    »Sie waren aber nicht
    erreichbar?«
    »Ich habe seine Nummer
    gesehen und mich dann nicht gemeldet.«
    Reek sagte nichts, blickte
    sie abwartend an.
    »Ich
    habe die letzte Nacht bei einer Freundin verbracht«, erklärte Karen, »sie wohnt ein Stück die
    Straße hinunter. Mir ... geht's nicht gut zu rzeit. Hier in der WG
    versteht mich niemand so recht, deshalb ... schlafe ich im Moment
    woanders.«
    »Verstehe«, sagte
    Reek, obwohl er nur einen Verdacht hatte und nicht wusste, ob er damit richtig lag. »Haben Ihre
    ... Probleme mit Mr. Tanner zu tun?«
    Sie sah aus, als
    müsse sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Reek hoffte, sie würde sich beherrschen
    können.
    »Ja. Von ihm haben
    Sie wahrscheinlich schon erfahren, dass wir lange Zeit ein Paar waren. Im Juli hat er sich von
    heute auf morgen von mir getrennt. Angeblich, weil die Chemie zwischen uns nicht mehr stimmte.
    Inzwischen weiß ich aber, dass eine andere Frau im Spiel ist.«
    »Miss Gwendolyn
    Beckett.« »Heißt sie so? Ich habe nur gehört, dass sie

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