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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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ihn je ausfindig machen zu
    können.
    Hier besteht wiederum eine
    deutliche Ähnlichkeit zum Fall Amy Mills, dachte Valerie und stieg ins Auto, auch dort ist der
    Täter nicht bewaffnet gewesen. Er benutzte die Mauer dazu, um sein Opfer zu töten. Entweder er
    kannte den Ort sehr genau, oder er hat sich einfach darauf verlassen, dass ihm im geeigneten
    Moment schon etwas einfallen würde. Beide Fälle scheinen zumindest in dieser Hinsicht wenig
    Planung zu beinhalten. Allerdings könnten die Orte, an denen die Opfer abgefangen wurden, sehr
    genau ausgesucht und mit Bedacht gewählt gewesen sein. Bei Mills trug der Täter überdies
    Handschuhe. Mills ging regelmäßig mittwochnachts durch die Esplanade Gardens. Dafür, dass die
    Bauzäune ihren üblichen Weg versperrt hatten, gab es noch immer keine Erklärung, sie konnten
    also tatsächlich Teil des Mordplans gewesen sein.
    Dass Fiona Barnes an jenem späten
    Abend die einsame Straße entlangkommen würde, war hingegen unmöglich vorhersehbar gewesen. Bis
    sie sich spontan entschloss, dem Taxi zu Fuß entgegenzugehen, hatte sie es ja selbst nicht
    gewusst. Ohnehin wäre sie normalerweise mit ihrer Enkelin zusammen im Auto nach Hause
    gefahren.
    Normalerweise ...
    Valerie fuhr langsam vom Hof der
    Polizeidienststelle. Der Nebel war so dicht geworden, dass die Sichtweite nur ein paar Fuß
    betrug. Sie schaltete die Scheinwerfer an und dachte mit Bedauern an den gestrigen sonnigen
    Tag. Da hatte es Spaß gemacht aufzustehen, sich in die bevorstehende Arbeit zu stürzen. Heute
    schien sich die ganze Welt schwerfällig und bleiern zu bewegen, wie gefangen in diesem Kokon,
    der Geräusche schluckte und Bilder verschwimmen ließ.
    Ein beschissener Tag, dachte
    Valerie, während sie die Straße entlangkroch.
    Alle Umstände um den Mord an
    Fiona Barnes legten die Schlussfolgerung nahe, dass es sich bei ihrem Mörder um eine Person aus
    dem Kreis derer handeln musste, die an der später so nachhaltig gestörten Verlobungsfeier
    teilgenommen hatten. Das Problem für Valerie war, dass sie das Motiv nicht recht sah. Im Grunde
    hatte nur Tanner - und vielleicht auch Gwen Beckett - eines gehabt, und es schien ihr nicht
    ausreichend für einen derart brutal ausgeführten Mord.
    Sie hatte am Vortag lange mit dem
    Gerichtsmediziner gesprochen. »Mann oder Frau? Was glauben Sie«
    Der Pathologe
    hatte gezögert. »Schwer zu sagen. Der Täter scheint mir von größter Wut getrieben worden zu
    sein. Er - oder sie - geriet mehr und mehr in einen Gewalt rausch. Für den Schlag, an dem Fiona Barnes später starb, brauchte man
    Kraft.«
    »Mehr Kraft, als man für
    gewöhnlich bei Frauen voraussetzt?«
    »Nicht unbedingt. Hier
    steckte wirklich Hass dahinter. Hass verdreifacht Kräfte. Nein, ich kann eine Frau als Täterin
    nicht ausschließen. Und zweifellos war der Täter Rechtshänder.«
    Toll, dachte Valerie
    sarkastisch, das schränkt natürlich den Kreis der potenziellen Täter extrem ein. Rechtshänder,
    wie mindestens drei Viertel aller Menschen, und sowohl Mann als auch Frau wären möglich. Bringt
    mich enorm weiter.
    Sie merkte, wie sich ein
    vertrauter Druck auf ihre Brust legte. Sie wusste, dass sie bald eine Spur, am besten aber eine
    Lösung des Falls oder beider Fälle - präsentieren musste, sonst würden sich höhere Stellen
    einschalten. Dann war sie weg vom Fenster, abgezogen von der Ermittlung und komplett
    gescheitert, was die Aufklärung dieser Verbrechen anging. Wenn sich der Verdacht erhärtete, es
    mit einem Serienmörder zu tun zu haben, dem eine relativ junge Beamtin unfähig war, auf die
    Spur zu kommen, würde man ihr jemanden von Scotland Yard vor die Nase setzen. Sie brauchte
    dringend einen Anhaltspunkt.
    Jennifer Brankley. Die Frau war ihr vom ersten Moment an seltsam vorgekommen. Und nicht
    nur deshalb, weil sie auf dieser trostlosen Farm Ferien machte und ständig die beiden riesigen
    Hunde mit sich führte. Es war noch etwas anderes gewesen, und nun, da sie die alten
    Presseberichte gelesen hatte, wusste Valerie auch, was es war: Jennifer Brankley war eine tief
    verbitterte Frau. Sie fühlte sich vom Leben, vom Schicksal, von den
    Menschen schlecht und un gerecht behandelt. Ihre Entlassung aus dem
    Schuldienst hatte sie nie verwunden, nie verarbeitet. Die Geschichte fraß an ihr, Jahre später
    noch.
    Wie sah ihr
    Psychogramm aus?
    Sie hat ein
    Helfersyndrom, dachte Valerie, während sie sich in eine wegen des Nebels kaum überschaubare
    Kreuzung

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