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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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konzentrieren, musste ausschließen, dass sie das eigentliche Opfer gewesen war
    und damit noch immer in Gefahr schwebte.
    Wenngleich sie
    diese Variante innerlich im Grunde schon abgehakt hatte.
    »Wirklich, Dave. Nichts, absolut nichts von dem, was Fiona neulich abends sagte, hat meine Gefühle für dich verändern können.
    Ich bin immer noch ... ich liebe dich noch immer. Ich glaube an eine Zukunft mit dir.« Gwen sah
    ihn eindringlich an. Sie saß auf einem Stuhl in seinem Zimmer, gekleidet wie meist in einen
    langen Wollrock und in einen selbstgestrickten Pullover von undefinierbarer Farbe. Sie trug
    eine große Tasche mit sich. Sie war lange unterwegs gewesen, zu Fuß, dann mit dem Bus, dann
    wieder von der Haltestelle aus zu Fuß. Die Feuchtigkeit draußen hatte ihre Haare in etwas
    verwandelt, das wie Zuckerwatte aussah und sich in alle Richtungen zu kräuseln schien. Die
    dunklen Augen wirkten wie zwei Kohlestücke in dem sehr blassen Gesicht. Ein bisschen Rouge
    hätte vielleicht geholfen, den Gesamteindruck ein wenig zu verbessern, ein Hauch von
    Lippenstift ...
    Sie wird
    nie lernen, wie sie sich etwas ansehnlicher zurechtmachen könnte, dachte Dave, während er sie
    betrachtete. Er saß auf seinem Bett und hatte es soeben geschafft, unauffällig mit dem Fuß die
    zerknüllte Strumpfhose, die Karen zurückgelassen hatte, unter das Gestell zu schieben. Gott sei
    Dank hatte Gwen nichts bemerkt. Sie war so sehr damit beschäftigt zu reden, ihn zu überzeugen,
    dass er sogar Karens Lippenstift diskret hatte verschwinden lassen können, während er im Zimmer
    umhergegangen war und Tee gekocht hatte. Gwen hatte sich nicht angemeldet. Sie hatte plötzlich
    unten vor der Haustür gestanden, eine zierliche Gestalt, die aus dem Nebel aufgetaucht war. Die
    Wirtin war nicht zu Hause, daher hatte Dave selbst geöffnet. enigstens war er schon angezogen
    gewesen, ein Wunder, denn beim Aufwachen im Lauf des Vormittags hatte ihn ein einziger Blick
    zum Fenster hin davon überzeugt, dass es sinnvoller wäre, den ganzen Tag im Bett zu verbringen,
    schließlich musste er erst am Abend zum Unterrichten in die Schule hinüber. Eine seltsame
    innere Unruhe hatte ihn schließlich auf die Beine gebracht. Er hatte eine Weile gebraucht, um
    sich klarzumachen, dass es in seiner Situation keineswegs unnatürlich war, sich aufgewühlt zu
    fühlen. Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Vor allem wusste er nicht, wie
    kritisch sich die Ermittlungen um Fiona Barnes' Tod noch für ihn gestalten könnten.
    Natürlich
    war er der Verdächtige Nummer eins, und er sah ein, dass das vergleichsweise kurze Gespräch mit
    DI Almond am Vortag nichts daran hatte ändern können. Sie konnten ihm nichts nachweisen, aber
    sie hatten ihn in Verdacht. Wenn sie keine anderen Spuren fanden, würden sie sich auf ihn
    einschießen, und die Schlinge würde sich immer enger ziehen. Er war ein Mann ohne Reputation,
    ein Mann, der in ungewöhnlichen Verhältnissen lebte, was seinen Stand keineswegs verbesserte.
    Die ganze Sache konnte eng werdenfür ihn, da machte er sich nichts vor.
    Scheiß
    doch auf die Barnes, den alten Knochen, hatte er gedacht, während er einen starken Kaffee
    trank, um warm zu werden. Es war kalt an diesem Tag, aber wie üblich geizte seine Vermieterin
    mit der Heizung.
    Scheiß
    auf das alles. Lass die Finger von Gwen und der ganzen Mischpoke. Hat dir kein Glück gebracht,
    die Beckett-Farm und alles, was mit ihr zusammenhängt. Such einen anderen Weg, den du gehen
    kannst.
    Leicht
    gesagt. Er sah keinen Weg. Seit Jahren nicht. Un- wahrscheinlich, dass sich jetzt plötzlich
    einer vor ihm auftun sollte.
    Als es
    klingelte, hatte er zuerst erwartet, die Polizeibeamtin wieder vor sich zu sehen, die ihn
    erneut mit Fragen löchern wollte. Kurz hatte er erwogen, gar nicht zu öffnen, so zu tun, als
    sei niemand daheim. Aber dann hatte er sich einen Ruck gegeben. Besser, er sah den Tatsachen
    ins Gesicht. Besser, er wusste, was sie gegen ihn in der Hand hatte, als dass er die Augen
    davor verschloss.
    Aber dann
    war es gar nicht die Almond gewesen. Sondern Gwen. Die nun seit einer Viertelstunde in seinem
    Zimmer saß und auf ihn einredete. Sie war so verfroren und nass gewesen, dass er erst einmal
    einen heißen Tee gemacht hatte. Wenigstens nörgelte sie nicht an dem Chaos herum, das ihn
    umgab, so wie Karen es immer tat. Gwen war erst zweimal bei ihm gewesen und hatte nie etwas zu
    der katastrophalen Unordnung gesagt.

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