Das andere Ufer der Nacht
kommt es auf dich an, ob wir deine Freunde langsam sterben lassen oder nicht.«
»Okay, Sie haben gewonnen!«
»Dann lass uns gehen!«
Diesmal stimmte ich zu, erhob mich und hatte auch nichts dagegen, dass ich von dem Zwerg und dem Mann mit der Eisenmaske in die Mitte genommen wurde und man mich abführte wie einen Delinquenten auf dem Weg zum Schafott…
***
Bill und Suko hatten in ihrem Leben schon einiges getan, aber noch niemals Knochen gefahren oder aufgesammelt. Die Arbeit mussten sie nun verrichten.
Es sollten die letzten Knochen sein, die noch für die Barke benötigt wurden, und so blieb den beiden nichts anderes übrig, als damit anzufangen, den Knochenberg abzutragen und die bleichen Gebeine auf eine Schubkarre zu laden.
Bill hatte sie holen müssen. Einer der vier Bewacher hatte ihn dabei begleitet. Es war Juan, der Typ mit der Halbglatze, und er hielt die Mündung seines Gewehres stets auf Bills Rücken, wobei er zudem den genau richtigen Abstand einhielt, denn seine Kugel würde immer schneller sein als Bills Reaktion.
Juan ging hinter dem Reporter her. Beide schritten tiefer in das Gewölbe hinein, und Bills Hoffnung, an einen finsteren Ort zu gelangen, erfüllte sich nicht.
Auch weiterhin begleitete der Schein der Fackeln ihren Weg, bis hin zu einer großen Nische, in der die Schubkarre stand.
»Hol sie hervor!«
Bill zögerte. Er drehte sich um. Von der Decke fiel ein Tropfen nach unten und landete genau in seinem Nacken. Der Reporter hatte sich entschlossen, den anderen zu überreden.
»Es hat doch keine Sinn, Juan! Ihr habt euch da in etwas verrannt, aus dem ihr nicht herauskommt.«
»Nimm die Karre!«
Bill schüttelte den Kopf. »Verdammt, sei doch nicht so stur! Ich mache dir einen Vorschlag. Gib mir die Waffe. Dann verschwindest du, und ich warte noch einige Minuten, bis ich zurückkehre und die Lage zu unseren Gunsten verändere.«
Für einen Moment sah es so aus, als wollte Juan sein Gewehr tatsächlich abgeben. Er hob es an und drückte den Lauf dabei so weit vor, dass Bill genau in die Mündung schauen konnte. Die kam ihm plötzlich gewaltig vor.
So groß, so kalt und unheimlich!
»Ein falsches Wort, Fremder, und ich schieße deinen verdammten Schädel in Fetzen!«
Es war ein geflüstertes Versprechen und so gesagt worden, dass kein Zweifel daran bestand, dass der andere es auch erfüllen würde. Bills Grinsen fiel gequält aus, als er den anderen anblickte und dabei die Schultern hob. »Okay, vergiss es. Ich hole mir die Karre.«
»Das will ich dir auch geraten haben!«
Der Reporter drehte sich um. Er bückte sich, packte die beiden Griffe und zog die Karre rückwärts aus der Nische, bevor er sich wieder in die entsprechende Richtung umwandte. Sie gingen den Weg zurück. Abermals blieb Juan hinter dem Reporter. Der blakende Fackelschein begleitete ihren Weg. Obwohl kein Wind wehte, bewegten sich die Flammen, als würden sie von unsichtbaren Armen gestreift. Manchmal sonderten sie auch einen beißenden Qualm ab, der träge gegen die Gesichter der Männer schwebte, so dass Bill ein leichtes Husten nicht mehr unterdrücken konnte.
Die anderen warteten schon. Suko wurde von drei Gewehrmündungen bedroht. Viviana stand etwas abseits uns schaute aus kalten Augen zu. Juan wollte sich bei ihr beliebt machen und berichtete von Bills Versuch, ihn auf seine Seite zu ziehen. »Aber das hat er nicht geschafft. Ich weiß, wohin ich gehöre.«
»Hoffentlich«, erwiderte das Mädchen, bevor es Bill einen spöttischen Blick zuwarf. »Hier gibt es noch so etwas wie Treue«, erklärte sie. »Du kannst machen, was du willst, schaffen wirst du es nie, das verspreche ich dir. Und jetzt ladet die Knochen auf!«
Bill und Suko machten sich an die Arbeit. Bedroht von vier Mündungen, blieb ihnen nichts übrig, als den Befehlen nachzukommen. Zudem bekamen sie noch die Anweisungen, nur die längeren Gebeine auf die Karre zu laden.
Bill schaute sich jedes Teil an, bevor er es zu den anderen legte. Es waren auch alte Knochen darunter, die wahrscheinlich schon 200 und mehr Jahre unter dem Berg verborgen lagen. Einige von ihnen fühlten sich fettig an, andere wiederum stumpf und wirkten irgendwie auch stockig.
Ihre Bewacher sprachen kein Wort. Nur das manchmal heftige Atmen war zu hören.
Suko und Bill arbeiteten im Schein der Fackeln. Immer wenn sie sich bewegten, wanderte dieser auch mit und schuf permanent neue Muster auf ihre Gesichter.
Suko tauschte mit dem Reporter Blicke. Er merkte, dass
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