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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dass sie keinen einzigen Tag Langeweile litt. Zweimal kam ein kurz gehaltenes Schreiben aus Friedleins Feder, der sie wissen ließ, sie solle zum Zabelstein zurückkehren, doch Elisabeth legte sie beiseite und vergaß sie. Nichts trieb sie zurück auf die Burg zu einem Vater, der den Würzburger Bürgern ein Kriegsheer geschickt hatte, um sie zu strafen. Wobei das Wort strafen dafür viel zu harmlos war. Er hatte versucht, die Stadt einem brennenden und plündernden Mob ausgehungerter Söldner auszuliefern, die ganz sicher
nicht davor zurückgeschreckt hätten, sich an Leib und Leben der Bewohner zu vergreifen.
    Wie sollte sie dem Bischof begegnen, ohne ihn mit Vorwürfen zu überschütten?
    So verdrängte sie die Gedanken an eine Rückkehr und genoss das Leben in der Franziskanergasse.
    Bei den Worten ihres Bruders horchte sie auf. »Was? Was willst du damit sagen? Die Leute, die den Winter hier verbringen?«
    Georg hob die Schultern. »Ich jedenfalls werde nicht in Würzburg sein. Die Vorbereitungen zu meiner nächsten Reise in den Süden gedeihen. Wir müssen von Genua aus rechtzeitig mit dem Schiff übersetzen, ehe Herbststürme die Reise gefährden.«
    Elisabeth erstarrte. Natürlich wusste sie, dass Georg vom Fernhandel lebte und nun schon ungewöhnlich lange im Land war, aber sie hatte nicht daran denken wollen, dass seine Wochen in Würzburg gezählt waren. Ihr Blick wanderte zu dem Apotheker.
    »Und Ihr, Meister Thomas? Werdet auch Ihr wieder auf Reisen gehen?«, fragte sie und hörte, wie ihre Stimme zitterte.
    Er sah sie mit einem entschuldigenden Lächeln an. »Ich kann es Euch noch nicht sagen, Fräulein Elisabeth. Noch ist die Lage in Franken ungeklärt. Wird Euer Vater auf den Marienberg zurückkehren? Und wenn ja, hält er dann an seinem Vorhaben fest, eine Hofapotheke zu gründen? Wenn nicht, dann werde ich wieder mit Eurem Bruder auf Reisen gehen. Meister Heinrich hat mir viele der seltenen Zutaten aus Indien und den Ländern der Sarazenen abgekauft. Und auch Georg hat bei seinen Verhandlungen mit den hiesigen Kaufleuten einige meiner Waren erfolgreich angeboten. So wäre es durchaus an der Zeit, sich wieder auf Reisen zu begeben und die fernen Länder nach den begehrten Stoffen abzusuchen, die auch bei schwerer und seltener Krankheit Heilung versprechen.«
    Elisabeth fühlte sich, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr wurde übel, und ein Schwindel überfiel sie. Selbst überrascht über ihre heftige Reaktion, bemerkte sie, wie sie im Stillen betete und die heilige Jungfrau anflehte, ihn nicht von hier fortzuführen. Was würde ihr dann noch bleiben? Ein Leben in Langeweile auf dem Zabelstein? Fast geriet sie in Versuchung, sich zu wünschen, ihrem Vater würde es gelingen, auf den Marienberg zurückzukehren.
    »Ganz gleich, ob Thomas nun in Würzburg bleibt oder mit mir auf Reisen geht – du wirst zum Zabelstein fahren!«, unterbrach Georg ihre Überlegungen.
    »Was? Fängst du nun wieder an, mir Vorschriften machen zu wollen?«, begehrte Elisabeth auf.
    »Das hat mit Vorschriften nichts zu tun. Willst du etwa mit Thomas alleine hier im Haus leben?«
    »Ich wäre ja nicht alleine. Gret und Jeanne sind bei mir«, maulte Elisabeth, sah aber in der Miene ihres Bruders, was er von diesem Argument hielt. Sie wusste ja selbst, dass ein Kammermädchen und eine Magd nicht ausreichen würden, den Anstand zu wahren, wenn sie mit einem fremden Mann das Haus teilte. Unter der Obhut ihres Bruders war das etwas anderes.
    »Die Würzburger würden dich mit Steinen bewerfen«, prophezeite Georg. »Oder sie würden dir den gelb gesäumten Hurenrock überziehen, ganz gleich, wie ehrenhaft Thomas’ Absichten oder sein Benehmen dir gegenüber wären.«
    Elisabeth erstarrte. Sie riss die Augen weit auf. Gret stieß ihr unter dem Tisch gegen das Schienbein und fixierte sie mit einer solchen Kraft, dass Elisabeth ihr den Blick zuwandte. Die Magd, die das Schicksal als Dirne mit ihr geteilt hatte, ahnte vermutlich, was in ihr vorging. Wie sie sich in den Rock der Schande gehüllt durch die Stadt gehen sah unter den Blicken der Bürger: die der Frauen voller Verachtung und Abscheu, die der Männer neugierig und begehrlich. Dies war
keine neblige Vorstellung. Dies war die Erinnerung, die sie in sich trug!
    Gret wechselte rasch das Thema, sagte etwas, mit dem sie Georg zum Lachen brachte, und verteilte den süßen Mandelreis, den sie für später warmgestellt hatte. Elisabeth entspannte sich

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