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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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wieder, blieb aber den Abend über einsilbig und verabschiedete sich früh, um sich in ihre Kammer zurückzuziehen.
     
    Es war tiefe Nacht. Elisabeth wusste nicht, was sie geweckt hatte. Es war ruhig im Haus, und sicher schliefen alle. Sie lauschte auf Jeannes regelmäßige Atemzüge. Elisabeth hatte Durst. Sie hätte Jeanne wecken und sie bitten können, ihr einen Becher Milch aus der Küche zu bringen. Früher, daheim auf dem Marienberg, hätte sie das vermutlich getan. Doch hier in diesem kleinen Bürgerhaus kam ihr das fast lächerlich vor. Sie schlug die Decke zurück und tastete nach einem Schultertuch. Sie warf es sich über das Hemd, das sie sich angewöhnt hatte nachts zu tragen, obwohl die Nächte nun nicht mehr kalt waren.
    Elisabeth tastete sich zur Tür und durch den Gang. Von unten drang ein schwacher Lichtschein über die Stufen die schmale Stiege hinauf. Hatte Gret vergessen, die Lampen zu löschen? Oder war sie noch wach?
    Elisabeth tappte barfuß die Stufen hinab. Unten angekommen hielt sie inne. Die Tür zur Küche war nur angelehnt. Durch den Spalt floss das warme Licht. Und es drangen leise Geräusche heraus, die Elisabeth zuerst nicht einordnen konnte. Es waren zwei Stimmen. Eine männliche und eine weibliche, die miteinander sprachen. Nein, flüsterten. Und doch war es auch kein Gespräch. Eher einzelne Worte, ein leises Kichern, ein Seufzen, das kratzende Geräusch von Stroh in einer Matratze. Elisabeth erstarrte, als sich ein Bild vor ihrem inneren Auge zu formen begann. Nein, das war nicht möglich.
Ein Geruch stieg ihr in die Nase, der ihr Übelkeit bereitete, obgleich sie nicht mit Sicherheit hätte sagen können, ob sie es wirklich roch oder ob ihre Erinnerung ihr einen Streich spielte. Sie wollte wieder in ihr Bett zurück, schlafen und vergessen. Den Durst hatte sie vergessen. Und dennoch streckte sie die Hand aus und schob die Tür Stück für Stück weiter auf, bis die Küche im Schein der Lampe vor ihr lag.
    Links von ihr war der gemauerte Herd mit der Feuerstelle und dem vorkragenden Kamin, um den Gret Kräuter, Specksaiten und einige Würste zum Trocknen aufgehängt hatte. Daneben ein Regal mit Töpfen und Pfannen und irdenem Geschirr, das sie zum Kochen verwendete. In der Mitte ein großer, grober Tisch mit einigen Hockern, der zur Hälfte von Gret, zur anderen Hälfte von Meister Thomas verwendet wurde. Ein zweiter, schmalerer Tisch stand an der rückwärtigen Wand. Dieser und das Regal darüber gehörten zum Revier des Apothekers, wo Elisabeth ihm so viele Tage hilfreich zur Hand gegangen war. Zu seinem Bereich gehörte auch eine Truhe, in der er nach getaner Arbeit seine wertvollen Glaskolben verschloss, aber auch die fertigen Mischungen oder die Fläschchen und Dosen mit Kräutern, von denen nicht wenige so giftig waren, dass sie schnell zum Tod führen konnten. »Es ist stets die Frage der Dosierung«, wie er immer wieder betonte. In kleinen Mengen waren diese Pulver und Auszüge wertvolle Heilmittel.
    Auf dem Hocker neben der Truhe in der Ecke erkannte Elisabeth Grets Rock und einige andere Kleidungsstücke, die nicht ihrer Magd gehörten. Ihr Blick verharrte kurz auf dem Wams und den Beinlingen, ehe er zu der Strohmatratze an der rechten Wand gezogen wurde und auf die beiden Körper, die das flackernde Licht umschmeichelte. Das flammend rote Haar, das über den nackten Rücken herabfiel, war unverkennbar. Im Takt des sich wiegenden Körpers schwang es sacht hin und her, und der Widerschein der Flamme stob wie glühende Funken an den langen Locken entlang.
    Elisabeths Blick blieb wie hypnotisch auf die beiden Männerhände gerichtet, die von den Schultern herab über den Rücken wanderten, bis sie auf den Rundungen der beiden Pobacken innehielten. Dann begannen die Fingerspitzen zu beiden Seiten des Rückgrats wieder anzusteigen. Sorgsam und ohne Hast arbeiteten sie sich Zoll um Zoll hinauf, so, als gelte es eine Felswand zu bezwingen. Gret gab leise Geräusche von sich. Es war kein Stöhnen, nein, es klang eher wie ein Summen.
    Nun schlangen sich die männlichen Arme um den Frauenkörper und zogen ihn auf die nackte Brust. Der Mann, dessen Gesicht die Schatten noch immer verbargen, küsste Gret so stürmisch, als wolle er sie verschlingen, während sich die Hände in die weiche Haut gruben.
    Elisabeth fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen. Das konnte nicht wahr sein. Diese Szenen gehörten zu einem Leben, das sie hinter sich gelassen hatte und zu vergessen suchte. Nun

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