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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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einen Weg, sich zu entladen, und vielleicht hatte der ein oder andere Bürger schon lange auf die Gelegenheit gewartet, seinem Nachbarn oder Konkurrenten einen Faustschlag zu verpassen.
    Georg packte seine Schwester bei der Schulter. »Los, komm! Das ist nichts für dich. Lass uns zusehen, dass wir in den Gasthof zurückkommen, ehe wir unter einem Knäuel um sich schlagender Tobsüchtiger begraben werden.«
    Doch Elisabeth reagierte nicht. Sie starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ein geöffnetes Fenster im Rathaus, aus dem sich eine Armbrust schob. Herr im Himmel! Auf wen hatte es der Schütze abgesehen? Sie sah Dechant von Masbach und den Domherrn Schoder vor dem sich prügelnden Haufen zurückweichen. Die Armbrust schien ihnen zu folgen. Elisabeth schrie auf und begann wild zu gestikulieren, doch ihre Warnung musste in dem Aufruhr untergehen. Die Sehne schnellte nach vorn und trieb das Geschoss auf die Kapitulare und ihren Dechanten zu.
    Sie hatten Glück. Der Bolzen verfehlte den Kopf des Dechanten von Masbach nur um eine Handbreit und bohrte sich in einen Balken am Eck des Hauses. Die Männer gingen in Deckung. Sie versuchten zum Eingang des Rathauses zu gelangen, um sich in Sicherheit zu bringen oder den Schützen zu überwältigen, der erneut schoss und einen unbeteiligten Bürger am Arm streifte.
    Die Rathaustür fiel krachend ins Schloss, noch ehe die Kapitulare der Würzburger Partei sie erreichten. Man konnte hören, wie sie von innen verbarrikadiert wurde, denn nun versuchten nicht nur die Domherren dort hineinzukommen.
    Vom Stadttor her waren aufgebrachte Stimmen zu hören. Offensichtlich hatten die vor der Stadt lagernden Männer mitbekommen, dass die Beratung im Rathaus nicht so friedlich ablief, wie man es bei einem Treffen von Domherren hätte erwarten können. Sie entschieden, dass es nun an der Zeit wäre, in die Stadt zu ziehen und einzugreifen. Vermutlich erkannten die Wächter die Gefahr zu spät, um das Tor vor den anrückenden Würzburgern zu schließen. Mit Kriegsgeschrei strömten sie auf den Ochsenfurter Marktplatz.
    Der Griff ihres Bruders verstärkte sich. »Komm jetzt. Das wird gefährlich.«
    Widerstrebend ließ sich Elisabeth mitziehen. Auch Meister Thomas und die beiden Mägde folgten ihnen ins Gasthaus zurück. Der Wirt stand schon in der Tür und trieb sie an, sich zu beeilen. Kaum waren sie eingetreten, warf er auch schon die Tür zu und verbarrikadierte sie. Nein, er hatte keine Lust, in diesen Streit mit hineingezogen zu werden, und wollte nicht riskieren, dass Geschirr und Mobiliar unter den Fäusten der sich Prügelnden zu Bruch gingen.
    »Nachher dringen die mir in meinen Keller ein und saufen mir den ganzen Wein aus!« Diese entsetzliche Vorstellung trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn.
    Elisabeth kümmerten weder der Wein noch die Einrichtung des Wirts. Sie raffte die Röcke und eilte in ihre Kammer hinauf, um vom Fenster aus den Fortgang des Geschehens zu beobachten.
    Die Würzburger Schützen hatten inzwischen den Marktplatz umringt und brachten die Prügelei schnell zu einem Ende. Die geschlagenen Kämpfer trollten sich, mit Schnittwunden und Prellungen. Mancher hinkte vom Platz. Viele trugen blutige Nasen davon. Die Würzburger kümmerte es nicht. Als der Hauptmann sich vergewissert hatte, das der Dechant und der Kapitular wohlauf waren, wandte er seine Aufmerksamkeit dem schweren Rathaustor zu, hinter dem sich die Abtrünnigen verschanzt hatten. Seine Geste war unmissverständlich.
    »Aufbrechen!«
    Ganz so einfach ging das allerdings nicht. Der Hauptmann ließ das Rathaus umstellen – soweit das möglich war, denn viele Häuser um den Markt waren Wange an Wange gebaut, sodass die Dächer ineinander übergingen.
    Bald schon mussten die Männer einsehen, dass sie der Tür mit ihren Äxten nicht beikommen würden. Elisabeth sah den
Hauptmann mit einigen Männern sprechen, die sich eilig davonmachten. Eine Weile geschah nichts.
    »Was tut sich?«, fragte Gret und drängte sich neben Elisabeth an das schmale Fenster.
    »Im Moment nichts, doch halt, hörst du das?« Ein Rumpeln hallte über das Pflaster, und dann hörten sie Pferde wiehern. Ein von zwei kräftigen Braunen gezogener Karren kam in Sicht, auf den eine Büchse geladen war. Sicher kein Kaliber, mit dem man Stadtmauern durchbrechen konnte, doch für die Rathaustür sollte es reichen.
    Gret pfiff durch die Zähne. »Die Würzburger sind ja wirklich wild entschlossen. Jetzt geht es den Verrätern an den

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