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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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vorn auf den Stufen nicht unser Domdechant von Masbach?«, fragte Georg.
    Elisabeth nickte. »Was sagt er? Ich kann ihn nicht verstehen.«
    Ein ihr fremder Bürger drehte sich zu Elisabeth um. »Es geht um die Würzburger Bürger, die der Bischof aus verschiedenen Gründen hat gefangen nehmen lassen und deren Freilassung der Dechant nun fordert. Er betont, die Würzburger seien mit gutem Beispiel vorangegangen und hätten des Bischofs Boten Baiersdorfer und seine Begleiter bereits aus dem Turm entlassen. Nun seien der Bischof und der Propst von Grumbach am Zug.«
    »Gefangene? Was für Gefangene?«, hakte der Apotheker nach.
    Der Bürger hob die Schultern. »Ich weiß nicht so genau. Manche sind schon länger in Haft. Einige wurden, als der Bischof den Marienberg verlassen musste, hierher nach Ochsenfurt gebracht, andere erst später in seinem Auftrag von seinen Getreuen gefangen gesetzt und in unsere Verliese gesteckt.«
    Ihr Vater hatte noch immer Gefangene? Elisabeth konnte
es nicht fassen. Ob Albrecht überhaupt davon gewusst hatte, als er den Posten als Pfleger antrat? Nun jedenfalls war es selbst den Domherren bekannt. Sie fragte sich, wie ein abgesetzter und verbannter Bischof noch immer die Macht haben konnte, ehrbare Menschen willkürlich festzusetzen, denn dass es sich bei diesen Männern nicht um Strauchdiebe oder Totschläger handelte, lag auf der Hand. Es waren vermutlich Junker, Bürger oder Kaufleute, die ihm in irgendeiner Weise lästig geworden waren, in einem ungünstigen Moment seinen Weg gekreuzt hatten oder einfach als ein geeignetes Druckmittel erschienen.
    Elisabeth schämte sich für ihren Vater.
    Die Stimmen vor dem Rathaus wurden lauter und hitziger. Elisabeth konzentrierte sich darauf, die Worte zu verstehen, die hin- und herflogen. Wer war das, der gerade die Stimmen der Bürger zu übertönen versuchte und ihnen zurief, sie sollten den Worten des Domherrn von Masbach keinen Glauben schenken? Elisabeth fiel auf, dass er ihn nicht Dechant nannte. Die abgespaltene Partei in Ochsenfurt hielt also offensichtlich an ihrem neu gewählten Dechanten Martin Truchseß fest. Der Name Anthoni Dienstmann wurde geraunt. Ja, nun erkannte Elisabeth den Domherrn, der sich auf die Seite des Bischofs geschlagen hatte. Mit lauter Stimme rief er über die Menge:
    »Glaubt ihnen nicht, denn ihre Worte sind voller Lüge und ihre Anträge trügerisch. Schickt die Herren von Masbach und Schoder mit ihren Männern, die sie so drohend vor unserer Stadt zusammengezogen haben, dahin zurück, wo sie hergekommen sind!«
    Eine rüde Männerstimme erhob sich und übertönte den Domherrn Dienstmann. Elisabeth reckte sich auf die Zehenspitzen und sah gerade noch, wie ein kräftiger Mann mit rotem Gesicht die Faust in die Höhe reckte.
    »Nicht! Schell, lass das«, rief ein anderer. »Du kannst doch nicht einen Kirchenmann schlagen!«
    »Wenn der sein Maul so aufreißt und uns mit solch einem Lügengeschwätz überschüttet, kann ich das wohl.«
    Der erzürnte Bürger schlug zu, doch der Domkapitular war gewarnt und duckte sich rechtzeitig zur Seite weg, sodass der Fausthieb den Mann traf, der hinter ihm gestanden hatte. Elisabeth hörte das Krachen, als die geballte Hand auf den Wangenknochen traf.
    »Oho, das ist nicht gut«, hörte sie Georg neben sich ausstoßen. Ihr Bruder war etwas größer und hatte das unfreiwillige Opfer des Schlages erkannt.
    »Wer ist das?«, wollte nicht nur Meister Thomas wissen.
    »Der Stadtvogt Stephan von Grumbach«, gab Georg Auskunft.
    Von Grumbach! Allein der Name rann ihr wir Eiswasser den Rücken herunter und ließ sie schaudern. Nun wurde Elisabeth auch klar, warum die abtrünnigen Domherren unter der Führung des Propstes Hans von Grumbach ausgerechnet nach Ochsenfurt gegangen waren.
    »Und der Vogt lässt sich so etwas nicht gefallen«, fuhr ihr Bruder fort. »Gewollt oder ungewollt!«
    Noch während er die Worte aussprach, holte der Geschlagene aus und gab den Hieb zurück. Wieder musste der Domherr in Deckung gehen. Der Getroffene schrie vor Wut und Schmerz auf.
    Es war, als habe die Menge nur auf dieses Zeichen gewartet. Ehe es sich die Zuschauer weiter hinten versahen, war vor den Stufen des Rathauses eine blutige Schlägerei im Gange, in die sich immer mehr der umstehenden Männer einmischten. Elisabeth vermutete, dass so manch einer gar nicht wusste, für welche Partei er sich stritt. Das war vermutlich auch gar nicht so wichtig. Die aufgepeitschte Stimmung suchte sich einfach

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