Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
zuzusehen. Euer Vater besteht darauf, dass Ihr hier im Lager in Sicherheit bleibt. Ja, wer weiß, vielleicht würdet Ihr ja von einem gereizten Stier angegriffen oder anderen gefährlichen Elementen, die in Gosmannsdorf zu finden sind.«
Der Narr tippte sich an den Helm und hinkte dann zu seinem Pferd, das einer der Männer herbeiführte. Elisabeth sah ihm nach, wie er neben den beiden adeligen Hauptmännern an der Spitze der Truppe das Lager verließ. Ihr Magen schmerzte, und sie fror so sehr, dass sie sich ihr dickes Tuch umlegte, obwohl der späte Sommer noch immer warm war und die Sonne die ersten verfärbten Blätter golden leuchten ließ.
Die nächsten Tage brachten nicht viel Neues. Es wechselten nur die Namen der Dörfer, die die Männer des Bischofs überfielen und zerstörten. Nach Gosmannsdorf kam Stefft und dann das Dorf Hopferstadt an die Reihe. Der Bischof ließ verschiedene Gruppen seiner Männer die umliegenden Höfe durchsuchen. Was dazu dienen konnte, die Männer zu versorgen, wurde mitgenommen, alles andere zerschlagen oder angezündet. Es war eben nicht einfach, ein solch großes Kriegsheer
Tag für Tag zu versorgen. Währenddessen arbeitete die Mannschaft des Büchsenmeisters daran, der Stadtmauer den entscheidenden Schlag zu verpassen. Vierzehn schwere Steinkugeln flogen über die Mauer hinweg und fielen in den Gassen der Stadt nieder, ohne dass sie einen sichtbaren Schaden anrichteten. Der Büchsenmeister raufte sich das spärliche Haar. Es war eben eine große Kunst, auf diese große Entfernung sein Ziel zu treffen. Und nicht nur das. Jeder Schuss bedeutete zuvor stundenlange Schwerstarbeit und war für die Büchsenmannschaft lebensgefährlich. Die Qualität einer Steinbüchse bemaß sich nicht nur an der Genauigkeit, mit der man das Rohr auf ein Ziel richten konnte. Die Güte des Eisengusses war noch viel wichtiger, denn niemand konnte vorhersagen, wann die Rohre der in ihrem Bauch gezündeten Explosionen müde wurden und das Material seine Festigkeit aufgab. Dann zerbarst die riesige Büchse beim nächsten Schuss und riss meist einige Männer in den Tod. Wie viele Büchsenmeister hatten schon Arme oder Beine oder auch das Augenlicht verloren! Nein, das Risiko, das sie tragen mussten, war nicht minder groß als das der Männer, die mit dem blanken Schwert in die Schlacht zogen.
Elisabeth stand viele Stunden am Tag auf der kahlen Kuppe des alten Berges in der Nähe der Büchsen und sah über die belagerte Stadt hinab. Man konnte die von den umherziehenden Truppen zunehmend verheerten Weinberge und Felder erkennen. Irgendwo stieg immer Rauch auf und zeigte, welches Dorf an diesem Tag das Ziel der raubenden und brennenden Truppe war. Elisabeth dachte mit Schmerz an die armen Menschen in den Dörfern. Sie fragte sich, wie vielen von ihnen es gelingen mochte, sich rechtzeitig in den Wäldern zu verstecken, und wie groß die Zahl der Opfer sein würde, die ihr Leben lassen mussten, um den Übermut der zur Untätigkeit verdammten Männer zu kühlen. Wie viele Frauen und Mädchen würden in ihre Hände fallen und von ihnen gequält und geschändet
werden? Wie konnten die Überlebenden den Winter überstehen, wenn ihnen Haus und Scheune, das Vieh und die Frucht ihrer Felder genommen wurden?
Oft stiegen Elisabeth Tränen in die Augen. Tränen der Trauer und Tränen des Zorns darüber, dass sie nichts dagegen tun konnte und dazu verdammt war, auf diesem Hügel zu stehen, die Fähnlein davonziehen und zurückkommen zu sehen und auf die grausamen Nachrichten zu warten.
Der Mut der Bürger von Ochsenfurt schien allerdings ungebrochen. Das sollte der Bischof mit seinem Heer nur allzu bald zu spüren bekommen. Die Ochsenfurter sahen sich die Verwüstung ihrer Dörfer und Felder einige Tage an, dann rüsteten sie sich und wagten einen überraschenden Ausfall. Die Hälfte der Bürgermiliz verwickelte den umherziehenden Trupp des Bischofs in ein Scharmützel, während die zweite ihn ungesehen umging und ihm dann in den Rücken fiel. Einem Teil der Bischöflichen gelang die Flucht, doch viele der Männer gerieten den Ochsenfurtern in die Hände. Unter ihnen auch der Fiskal des Bischofs, Peter Eckhart, Wernher von Hain und Heinrich Schetzlein. Was für ein Fang! Auch Bischof von Brunns Vikar Weigand und der Junker Heinrich von Baiersdorfer waren zuerst unter den Gefangenen, doch den beiden glückte die Flucht, noch ehe die Bürger ihre wertvolle Beute in die Stadt schaffen konnten. Der Junker war es
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