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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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entscheidend ist es, unauffällig zu bleiben, und da wäre es der Sache nicht dienlich, wenn Ihr die auffälligste Person schicktet, die Euer Gefolge zu bieten hat.« Der Narr breitete die Arme aus. »Wer würde sich nachher nicht an den kleinen, hinkenden Mann mit dem schiefen Gesicht erinnern, der stets im Schatten von Johann von Brunn zu finden ist?«
    Der Bischof machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ja, du hast recht. Das wäre nicht von Vorteil. Vielleicht ist es besser, jemand anderen mit diesem Auftrag zu bedenken.«
    Erleichterung breitete sich im Gesicht des Hofnarren aus. »Ihr seid wie immer die Weisheit in Person, Exzellenz.«
     
    Elisabeth betrat hinter Meister Thomas die Offizin, deren Name sich aus dem lateinischen officina – Werkstatt – herleitete. Diese Bezeichnung traf sicher nur für den hinteren Teil zu. Mehr als die Hälfte diente dem Apotheker als Verkaufsraum. Zu beiden Seiten reckten sich hölzerne Regale bis an die Decke, gefüllt mit den verschiedenen Arten von Behältnissen, die Meister Thomas Elisabeth bereits in seinem Laboratorium gezeigt und erklärt hatte.
    Ja, hier schien alles vorhanden: fein bemalte Dosen und Schachteln aus den unterschiedlichsten Materialien, alle fein säuberlich aufgereiht, der Größe nach sortiert. Obwohl Meister Thomas betont hatte, wie wichtig das rechte Gefäß für jede Zutat sei, um das Ausdampfen seiner heilenden Stoffe zu verhindern, roch es in der Offizin nach den verschiedensten Kräutern und anderen Materialien. Elisabeth versuchte die Duftnoten zuzuordnen. Da waren angenehme Gerüche nach
Minze und Lavendel und weniger angenehme wie nach Baldrian und vielleicht auch Kampfer. Dann hing da noch etwas Stechendes in der Luft und der saure Geruch von Essigwasser.
    Elisabeth ließ den Blick weiter schweifen. Die Mitte des Raumes nahm ein mächtiger Eichentisch ein, über dem ein ausgestopftes Krokodil mit blitzend roten Augen hing. Auch in einem der Regale im hinteren Bereich reihte sich eine Sammlung von seltsamen Kreaturen und Naturerscheinungen, manche getrocknet, andere in klarer Flüssigkeit in einem Glasbehälter. Elisabeth konnte schlangenartige Wesen, riesige geflügelte Insekten, Eier und ungewöhnlich geformte Wurzeln erkennen. Auf dem Tisch daneben, dessen Platte im Gegensatz zu dem stattlichen Eichenmöbel roh und voller Flecken war, wurde offensichtlich gearbeitet. Es standen Schalen mit verschieden grobem Inhalt neben einem Mörser aus Stein und einem aus Bronze. Auf der anderen Seite unterschiedlich große Waagen und Schachteln mit Gewichten.
    Elisabeths Aufmerksamkeit glitt zur Mitte und dem prächtigen Eichentisch zurück, hinter dem der Meister stand, ein Stück Pergament in der Hand, das ihm der Mann auf der anderen Seite – offensichtlich ein Kunde – gereicht hatte. Der Meister runzelte die Stirn, entzifferte die Anweisungen, die vermutlich der Arzt dem Patienten notiert hatte, und zog dann einen ledergefassten Folianten zu sich, um das ein oder andere nachzuschlagen, derweil der Kunde unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. Die Haut seines Gesichts war von unnatürlich roter Farbe, und immer wieder lösten sich Schweißperlen von Stirn und Schläfe, um hinab bis in den Kragen zu rinnen. Er zog ein Tuch aus seinem Rock und wischte sich mit einem Stöhnen über Gesicht und Hals. Der Mann wankte und musste sich an der massigen Eichenplatte des Tisches festhalten, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
    »Wie lange wird das dauern?«, drängte der sichtlich Leidende.
    »Geduld, Meister Gerlach, Geduld. Ich muss erst nachsehen, ob ich all die Zutaten hierhabe, die das Rezept unseres verehrten Doktors nennt. Schafgarbe und Salbei sind natürlich kein Problem, auch Silberweidenrinde ist vorhanden und Eisenhut, mit dem man sehr sorgfältig zugange sein sollte.«
    »Jaja«, wehrte der Kranke mürrisch ab. »Es reicht, wenn Ihr wisst, was zu tun ist. Kocht mir nur schnell meine Medizin, denn wie soll ich meiner Arbeit nachgehen, wenn ich – so schwach wie ein Hänfling – mich kaum auf den Beinen halten kann.«
    »Gute Medizin dauert ihre Zeit. Sie verliert ihre Wirksamkeit, wenn man sich nicht ganz genau an die Zubereitung hält, die uns die Erfahrung und die Großen der Heilkunde gelehrt haben. Wie schnell ist durch Hast eine Rezeptur verdorben! Aber Ihr müsst nicht hier warten, Meister Gerlach. Ich schicke Euch den Lehrjungen, wenn der Fiebertrank und die Paste gegen den Schmerz in den Ohren fertig sind. Ihr müsstet mir

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