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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die Rezepturen nur sogleich bezahlen. Und wenn Ihr möchtet, kann ich Euch auch noch einen Taler Terra sigillata mitgeben. Seht nur den Abdruck des Siegels. Es stammt tatsächlich von Lemnos, vom sagenumwobenen Hügel Moschylos und ist damit eines der sichersten Mittel gegen allerlei Pestilenzen. Ihr müsst nur Euren Wein damit versetzen. Am besten legt ihr den Taler stets in Euer Trinkgefäß, sodass seine segensreiche Wirkung sich bei jedem Schluck, den Ihr zu Euch nehmt, entfalten kann.«
    Als der Kunde den Preis hörte, zögerte er zwar, doch ein erneuter Schwächeanfall ließ ihn den Geldbeutel zücken und einige Münzen auf den Tisch werfen. Die wertvolle Siegelerde fest in der Hand, wankte er aus der Offizin. Der Apotheker warf noch einen Blick auf die Rezeptschrift, dann nahm er sich ein zweites Buch, das offen auf dem Tisch gelegen hatte, schlug die Seite um und begann zu schreiben.
    »Das ist das Arzneimittelbuch«, raunte Meister Thomas
Elisabeth zu. »Das darf in keiner Apotheke fehlen. Der Meister ist verpflichtet, alle Rezepturen fein säuberlich einzutragen, sodass man jede bei Bedarf leicht wieder nachschlagen kann.«
    Endlich legte Meister Heinrich die Feder nieder und hob den Blick, um abwechselnd Elisabeth und Meister Thomas anzublicken. Jeanne, die sich ebenfalls staunend umsah, beachtete er nicht. Er hatte sofort erkannt, welche der Besucher einen gefüllten Beutel am Gürtel trugen.
    »Edle Dame, werter Herr, womit kann ich dienen?«
    Meister Thomas begrüßte den Apotheker und stellte sich vor. Dessen Miene begann zu strahlen. »Ah, ein Meister vom rechten Fach und gar mit seltenen Ingredienzien aus fernen Ländern?«
    »Aber ja!«, rief Meister Thomas, trat vor und wickelte das kleine Päckchen aus, das er aus der Kutsche mitgebracht hatte. Es enthielt verschiedene Proben, die Meister Heinrich zu Ausrufen des Entzückens veranlassten.
    Elisabeth beugte sich ein wenig vor, konnte aber nichts erkennen, das diese Reaktion in ihren Augen rechtfertigte.
    »Habt Ihr noch andere Substanzen aus dem heißen Bauch der Mutter Erde gesammelt?«
    »Ich habe Bittersalze und Schwefel, Zinnober und grünes Kupfersalz, aber auch sauberes Alaun und reines Quecksilber!«
    »Das ist ja ganz vortrefflich. Darf ich Euch bitten, mir in mein Laboratorium zu folgen?« Eifrig ging er voran. Er hatte einen seltsam watschelnden Gang, was von seinen ungewöhnlich auswärts gedrehten Füßen zu kommen schien. Ansonsten war der Apotheker ein dürrer, hochgewachsener Mann, dessen grauer Haarkranz ein wenig aussah, als hätten bei Nacht die Mäuse an ihm genagt. Das war aber auch das Einzige an ihm, das ein wenig unordentlich wirkte. Abgesehen davon war der Mann wie aus dem Ei gepellt und konnte es durchaus
mit den Ratsherren und anderen Honoratioren der Stadt aufnehmen.
    So ging er ihnen voran in einen schmalen Flur, dessen linke Seite von einem übermächtigen Schrank eingenommen wurde. Eine der Türen stand ein wenig offen und zeigte zahlreiche Fächer mit noch mehr Dosen, Krügen und Schachteln. Das unterste Fach jedoch enthielt einen dünnen Strohsack, ein Kissen und eine Decke und war vermutlich die Schlafstatt des Lehrjungen.
    Einige Schritte weiter stand eine Tür auf der rechten Seite offen. Elisabeths Blick schweifte durch ein Kontor mit einem prächtigen Sekretär, aber auch einer schmalen Bettstatt und einer Kleidertruhe im hinteren Bereich des Zimmers, das dem Apotheker offenbar auch als Schlafkammer diente. Die Tür am hinteren Ende des Flurs führte in einen kleinen Hof hinaus, der zur Hälfte überdacht war. Hier stand ein riesenhafter Mörserbecher, dessen Keule am oberen Ende einen Ring aufwies, durch den ein Seil führte, das mit einem Schwibbalken verbunden war. Trotz dieser Erleichterung war das Zerstoßen von Zutaten in diesem Steinmörser noch immer Schwerstarbeit, und so wunderte es Elisabeth nicht, dass dem Jüngling, der dort bei der Arbeit war, der Schweiß in Strömen herablief, sein Hemd nass und sein Gesicht tief rot waren.
    Meister Heinrich beachtete ihn nicht. Er durchquerte mit seinen Gästen das Sonnengesessene und trat auf der anderen Hofseite in einen kühlen, steinernen Raum mit gewölbter Decke, der seine Alchimistenküche enthielt, wie er sie mit Stolz bezeichnete.
    »Oben unter dem Dach nenne ich noch einen der Böden mein, um die Waren zu lagern, die ich neben den Arzneien noch vertreibe. Mein Sortiment ist nicht zu verachten«, sagte er und reckte sich ein wenig, als er mit der

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