Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
was die beiden Apotheker über die Wirkungsweise einiger Kräuter in Reinform und in verschiedenen anderen Darreichungsarten besprachen.
Zwei Wochen vergingen so in friedlicher Vertrautheit, dann ließ eine kurze Nachricht vom Zabelstein Elisabeths Hoffnungen in sich zusammensinken.
»Was schreibt der Bischof?«, erkundigte sich Jeanne.
Elisabeth ließ das Pergament sinken. »Er befiehlt mir, sofort auf den Zabelstein zurückzukehren.«
Gret hob die Schultern. »Was der alte Herr wieder für Launen hat. Vielleicht zwickt ihn nach einer langen Nacht wieder einmal der Leib.«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Friedlein hat hinzugesetzt, wir sollten uns eilen, dem Befehl Folge zu leisten.«
Gret richtete sich auf und sah Elisabeth ernst an. »So ist das also. Der Bischof schlägt zurück.«
»Was?« Jeanne sah ängstlich von einer zur anderen. »Was hat der Bischof vor?«
»Das wissen wir noch nicht«, gab Elisabeth zu, »aber es liegt nahe, dass dies eine Warnung an uns sein soll, nicht in etwas hineinzugeraten, das böse für uns enden könnte.«
»Und was ist mit Meister Georg und Meister Thomas? Wenn der Bischof irgendetwas gegen die Stadt im Schilde führen würde, dann ließe er doch nicht seinen eigenen Sohn und seinen Apotheker ohne eine Warnung hier zurück.«
Elisabeth überlegte. »Da hast du nicht unrecht.« Sie sah noch einmal auf das Schreiben hinab. »Vielleicht habe ich mich geirrt.«
»Ja, vielleicht vermisst er dich und möchte dich in seiner Nähe haben, aber es fehlen ihm die Worte, dies auszudrücken«, sagte Jeanne eifrig.
»Mag sein«, gab Elisabeth zu, auch wenn sie es nicht recht glauben konnte. Hatte ihr Vater einfach vergessen, dass sich auch Georg und Meister Thomas in der Stadt aufhielten? Oder fühlte er sich für die Männer nicht so verantwortlich? Sie wusste es nicht, scheute sich aber, die sofortige Abreise anzuordnen. Hätte der Vater ihr nicht eine Kutsche gesandt, wenn es so eilig gewesen wäre? Außerdem hatte sie Meister Thomas versprochen, die neuen Salben für ihn anzurühren. Kam es denn auf einen Tag an?
So schob Elisabeth die Entscheidung vor sich her. Der dritte Tag allerdings nahm ihr die Sache aus der Hand. Noch ehe sie recht wach war, drängte sich ein ungewohntes Geräusch in ihre Träume. Als sie unsanft geschüttelt wurde, fuhr sie hoch.
»Was ist denn los?«, murmelte sie schlaftrunken. Jeanne stand nur mit ihrem Hemd bekleidet und mit einem Binsenlicht in der Hand vor ihrem Bett, die Augen weit aufgerissen.
»Hörst du es denn nicht? In der ganzen Stadt werden die Sturmglocken geläutet. Steh auf und lass dich ankleiden.«
Elisabeth war so plötzlich hellwach, als habe man einen Eimer mit Eiswasser über ihr ausgeschüttet.
»Was ist geschehen? Brennt es?«
Jeanne hob die Schultern. »Wir wissen es nicht. Meister Georg ist mit Gret losgezogen, um es in Erfahrung zu bringen.«
»Wollen wir hoffen, dass es nur ein kleines, harmloses Feuer ist«, murmelte Elisabeth.
Kapitel 16
F riedlein, das muss ich mir nicht gefallen lassen!«, polterte der Bischof. »Ich werde ihnen eine Lehre erteilen, die sie nicht so schnell vergessen werden.«
Der Narr seufzte und nickte. »Warum nur erscheint es mir, als hätte ich das alles schon einmal erlebt?«
»Weil diese Bürger störrischer als Esel sind, doch ich werde ihnen ihren Hochmut austreiben!«
»Aber habt Ihr nicht bereits ein Beschwerdeschreiben an die Kirchenversammlung nach Basel gesandt? Sie werden den Fall untersuchen und Eure störrischen Bürger auffordern, Euch zu huldigen. Und schon ist alles in bester Ordnung.«
Johann von Brunn betrachtete seinen Narren misstrauisch. »Du treibst schon wieder deine Späße mit mir! Glaubst du, das merke ich nicht?«
»Ist ein Narr nicht dazu da?«, erwiderte Friedlein.
»Meinst du ernsthaft, ich solle meine Vergeltung in die Hände eines vertrockneten Doktors der Kirchenversammlung legen?«
»War ja nur ein Vorschlag«, sagte der Narr und hob resignierend die Schultern. »Aber wenn Euch ein Kriegsvolk lieber ist, das jedem Bürger der Stadt einzeln Respekt vor seinem Bischof einbläut, dann müsst Ihr prüfen, ob es genügend Männer gibt, die aus reiner Liebe zu Euch Eure Stadt belagern, denn – wenn ich das bemerken darf – Sold geben Eure leeren Truhen nicht her. Was natürlich nicht heißt, dass Ihr ihn nicht dennoch versprechen könnt. Ein gefährliches Spiel zwar, aber sicher nicht ohne Reiz.«
Friedlein spürte, dass
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