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Das Archiv

Das Archiv

Titel: Das Archiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frank
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seit sechs Wochen in Wien. Er kann nur Operationschef in der Archiv-Sache sein, mit dem Ziel, das Archiv noch vor uns in die Hand zu bekommen. Kalinin ist ein Spitzen-Agent der Iwans; wenn Moskau einen Fedor Kalinin hierherschickt, ist dies ein Beweis der Wichtigkeit der Sache. Kalinin ist einer der ersten Anwärter auf den Chefposten der Europäischen Sektion im KGB.« Hammerlang kaute an seinen Fingernägeln. »Zwei Fragen«, sagte er dann. Cooper setzte sich gerade.
    »Erstens, was beinhaltet das Archiv? Was macht das Zeug so wichtig?«
    Mr. Cooper hob hilflos beide Hände: »Wie kann ich das wissen, wir haben es ja nicht.«
    Der Polizeirat wurde wieder böse wie ein Kettenhund. »Wenn Sie es hätten, säßen Sie ja auch nicht hier, Sie wollen ja was von mir. Aber Sie halten mich nicht für einen Idioten. Wenn Sie das Archiv kaufen wollten, muß es wichtig sein. Und Sie kaufen schließlich nicht etwas, wovon Sie keine Ahnung haben. Also?« Cooper zog die Schultern hoch. »Darüber kann ich nicht reden, meine Befugnisse sind begrenzt. Ich kann nur versichern, daß es keine österreichischen Interessen berührt. Seien Sie bitte nicht ungehalten.«
    »Ungehalten?«
    Hammerlang wiederholte dieses Wort. »Wenn es nach mir ginge«, sagte er, »wenn es nach mir ginge, wäre dies das Ende unserer Beziehungen. Das Ende unserer befreundeten Dienste.« Er seufzte.
    Cooper schien erleichtert. Es geht aber nicht nach dir, dachte er fröhlich. Nicht umsonst hatte der US-Botschafter vorgestern den Außenminister privat besucht. Auch der Herr Innenminister war eingeladen, auf höflichen Wunsch des Herrn Botschafters. Es geht nicht allein nach dir, du langer Holzfäller. Sie sahen sich jetzt in die Augen. Beide dachten dasselbe.
    »Vielleicht kann ich Ihre zweite Frage zufriedenstellender beantworten«, meinte Cooper sachlich. Hammerlang zündete eine Zigarette an. »Wo befindet sich dieses Archiv jetzt. Hat Wilhelm Weiss es?« Eine Tausend-Dollar-Quizfrage, meinte Cooper. Und wenn er das wüßte, säße er nicht hier. »Herbert Winkler«, sagte er, »war sehr vorsichtig. Er schickte uns ein paar Auszüge des Archives, Grund genug für uns, es kaufen zu wollen. Er gab uns keine Hinweise darauf, wo er es aufbewahrt hatte. Für uns war das damals auch nicht wichtig, wir wollten einfach nur kaufen. Niemand konnte die Entwicklung voraussehen. Aber dieser Bill Weiss, sein Freund, wohnt jetzt in seiner Wohnung und hat alles geerbt. Und er ist ein Profi. Wenn jemand dieses Archiv findet, dann er. Vielleicht hat er es schon gefunden. Er steht mit Ihnen, Herr Polizeirat, in Verbindung. Deshalb bin ich hier.«
    »Der Kaufpreis?« fragte Hammerlang. »Sehr hoch«, sagte Cooper nur. Wieder war Stille im Raum.
    »In anderen Worten«, sagte Hammerlang, »in anderen Worten und zusammengefaßt, Sie wollen etwas von mir. Sie wollen, daß ich von Bill Weiss herauskriege, ob er das Archiv hat und wo es ist. Gehe ich richtig in dieser Annahme?«
    Mr. Cooper bestätigte höflich die Richtigkeit dieses Schlusses.
    Unter der raschelnden Polstertür zum Vorzimmer verabschiedeten sie sich, Margarete Scherbler half dem dritten Sekretär der US-Botschaft in den Mantel. »Förmlich«, dachte sie, »förmlich« würde sie ihrem Miro berichten. »Sehr förmlich hatten sich die beiden Herren verabschiedet.«
    Im Aufzug traf Mr. Cooper den Kriminalinspektor Prokesch, von dem er wußte, daß er Hammerlangs bester Mann war. Die beiden nickten sich zu und sahen dann aneinander vorbei. Cooper wußte auch, daß Inspektor Prokesch von einem seiner Leute monatlich fünftausend Schilling erhielt, und das schon seit vielen Jahren, schon seit der Zeit, als dieser ehemalige Vorgesetzte in Pension ging und den Prokesch gewissermaßen »übergab«. Und bei Gott und dem amerikanischen Präsidenten, der Prokesch war sein Geld wert. Warum bezahlten sie Österreicher ihre Leute auch nicht besser?
    Prokesch kannte Cooper vom Sehen und wußte, daß er eine große Nummer im Ami-Dienst war, gesprochen hatten sie noch nie miteinander. Sie sahen aneinander vorbei, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Lift das Erdgeschoß erreichte.
    Mr. Cooper stieg in seinen Chevrolet mit Klimaanlage und dem CD Kennzeichen. Der Fahrer wartete. Inspektor Prokesch ging zu Fuß in die Kälte hinaus, stülpte den Mantelkragen hoch und ging Richtung Schottentor. Er ging in diese Telefonzelle, in der er in den letzten Monaten so oft war. Seit ihm nicht in den Schädel wollte, daß die Sekretärin

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