Das Archiv
Mr. Cooper und hob seine Stimme leicht, wie um zu demonstrieren, daß jetzt etwas Neues käme, »nach unseren letzten Erkenntnissen war der Tod John Bergers hier in Wien eine Art Betriebsunfall. Berger und Winkler hatten sich nie gesehen. Berger war der Meinung, er könne das Rossmanek-Archiv im kurzen Wege kassieren, er wußte aus dem Schriftverkehr zwischen Rossmanek und Oflazian, wo er das Archiv zu suchen hatte. So flog er mit zwei libanesischen Bodyguards nach Wien und versuchte sein Glück in der Schrebergartenhütte Rossmaneks.
Dort aber saß Ihr Herbert Winkler und dachte berechtigterweise an einen Überfall. Er war schneller mit der Pistole.«
»Er war nicht mein Herbert Winkler«, sagte Hammerlang böse, »er war Rossmaneks Herbert Winkler.«
»Schon gut, schon gut«, die Besitzverhältnisse gingen ihn nichts an, den Edward Cooper. »Die Namen der beiden Libanesen waren Mustapha Haloumi und Ben Taky.« Zum ersten Mal machte sich Hammerlang Notizen, er schrieb sich die beiden Namen auf. »Nicht der Rede wert«, hörte er Mr. Cooper sagen. »Die beiden erschossen Herbert Winkler in der Postgasse zwei Tage nach dem Tode ihres Chefs. Eine Art Blutrache, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sie versuchten dann auch noch, an das Archiv heranzukommen, und überfielen Bill Weiss, den Freund Herbert Winklers. Das dürfte schiefgegangen sein, der alte Bill Weiss muß sich kräftig gewehrt haben. Nach unseren Erkenntnissen sind die beiden Libanesen am übernächsten Tag in Beirut eingetroffen und haben sich dort in ärztliche Behandlung begeben. Ohne Archiv. Es sind zwei Dummköpfe, Gewalttäter ohne Hirn und unfähig, das Oflazian-Unternehmen weiterzuführen. Der Oflazian-Nachrichtendienst ist tot, er hat aufgehört zu existieren, spätestens zum Zeitpunkt dieses Betriebsunfalles, dem Tode John Bergers.«
Die Sprechanlage schnurrte, die Sekretärin Margarete Scherbler wollte wissen, ob sie noch Kaffee bringen sollte. »Nein«, bellte Hammerlang wütend in den kleinen Kasten. Immer diese Wichtigtuereien seiner Sekretärin. Es war noch genug Kaffee da, wenn auch inzwischen kalt geworden.
Mr. Cooper lehnte sich zurück, und man sah ihm an, daß er es schwer hatte. »Bitte seien Sie nicht ungehalten«, leitete er ein, »aber verstehen Sie doch unsere Situation. Ich bin erst jetzt befugt, Ihnen davon Mitteilung zu machen. Der ermordete Herbert Winkler hatte mit uns Verbindung aufgenommen, vier Wochen vor seinem Tod. Er hat uns das Archiv angeboten. Wir waren bereit, es zu kaufen.« Es war ganz ruhig im Zimmer.
»Befreundeter Dienst« war alles, was Hammerlang sagte. Es klang, als ob er in eine Ecke spucken würde. Dann stand er auf und ging im Zimmer auf und ab. Mr. Cooper wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Es kommt noch schlimmer«, sagte er dann ruhig. Hammerlang ging immer noch auf und ab, seine großen Hände in den Hosentaschen, den Kopf gesenkt. Sein Gesicht war das eines Totschlägers fünf Sekunden vor der Tat. Cooper sah verbissen drein. Er war entschlossen, kein Wort mehr zu sagen, bis sich dieser lange, ungehobelte Lackel wieder setzen würde. Ein hin und her rennender Stier war für ihn kein geeigneter Gesprächspartner. Schließlich ließ sich der Polizeirat in den Polstersessel fallen, es krachte, als ob ein Baum gefällt würde. »Noch schlimmer!« Hohn und Trauer lagen in diesen Worten. »Ganz richtig, noch schlimmer.« Mr. Cooper war nun sehr sachlich, und seine weiteren Ausführungen hatten den Tenor einer Vorlesung: Die sowjetische Konkurrenz habe aus bisher noch unbekannten Quellen von dem geplanten Geschäft mit dem Archiv Kenntnis erlangt. Cooper sagte »sowjetische Konkurrenz«, nicht »die Iwans« wie üblich, nicht einmal simpel »der KGB«, er sagte »sowjetische Konkurrenz«. Hammerlang grinste, doch Cooper war kein bißchen irritiert.
»Der Zeitpunkt, zu dem die Russen von der geplanten Transaktion Wind bekamen, ist ebenfalls noch ungeklärt. Er mag kurz vor dem Mord oder auch erst danach liegen. Jedenfalls schickten sie Graf Sednitzky auf die Bühne. Ob um zu verwirren, zu verniedlichen oder um Zeit zu gewinnen, ist unbekannt. Jedenfalls«, in Coopers Stimme lag ein schüchterner Versuch, warm und herzlich zu klingen, »jedenfalls danken wir Ihnen sehr für Ihre ausgezeichnete Arbeit hinsichtlich der raschen Klärung der Rolle Sednitzkys.«
Der Polizeirat sagte nichts, und hastig setzte Cooper fort, als ob er einen beleidigenden Einwurf fürchtete. »Oberst Fedor Kalinin ist
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