Das Areal: Thriller (German Edition)
verzinktem Stahl, die wie eine Mondbasis aus einem Science-Fiction-Film der Fünfzigerjahre wirkte. Eine hübsche Gartenanlage mit japanischen Eiben und Rhododendren schirmte das Haus von der Straße ab. In dem Grünzeug war angeblich genug Equipment versteckt, um eine Botschaft zu überwachen und jeden erdenklichen Lauschangriff zu unterbinden. Es hieß, in den Mauern seien Faradaykäfige untergebracht, und die Glasflächen strotzten vor Funk- und Mikrowellenscannern, Störsendern und Zerhackern.
Vielleicht stimmte es, vielleicht auch nicht; jedenfalls fiel regelmäßig Turners Handy aus, wenn er durch die Tür trat, deshalb neigte er dazu, den Gerüchten Glauben zu schenken. Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst, zwei Wochen nach einem Südamerikaaufenthalt, meldete sich ein gewisser Harry bei ihm und bot ihm einen Kurzzeitjob an. Seitdem hatte er ein paar Aufträge für Harry erledigt und wusste, dass er großen Wert auf Vertraulichkeit legte. Angeblich hatte Harry als Spion für den MI 6 gearbeitet, war aufgrund einer nicht näher spezifizierten Verfehlung rausgeflogen und agierte seitdem mit stillschweigender Duldung des britischen Geheimdienstes. Anderen Quellen zufolge hatte er die Finanzen eines großen Drogenkartells aus Belize geregelt, und das Ganze entsprach seiner Vorstellung von Ruhestand. »D as Wichtigste in diesem Geschäft ist, was der Kunde zu wissen glaubt «, hatte Harry ihm eines Abends augenzwinkernd verraten. »F assade, Turner. Auf die Fassade kommt es an.«
Turner konnte nicht mal Harrys Akzent einordnen. Er klang ein bisschen nach Atlantikküste, veränderte sich aber immer wieder. Er wusste nur, dass Harry sich sicher genug fühlte, um seine Geschäfte allein von zu Hause aus zu managen, dass er flüssig war und das Finanzamt ihn gewähren ließ. Und da die Cops offenbar an seiner Ermordung beteiligt waren, war Harry am besten geeignet, ihm zu helfen.
»I ch weiß auch nicht mehr als das, was in den Nachrichten kam«, sagte er. »J emand hat vor meiner Wohnung einem Typen in den Kopf geschossen, weil er ihn mit mir verwechselt hat. Ich will noch nicht damit rausrücken, dass da jemand einen Fehler gemacht hat.«
»W eil man Sie dann erneut aufs Korn nehmen würde? Vorausgesetzt, man wollte Sie nicht nur um Ihr Drogengeld erleichtern.« Harry zwinkerte.
»I ch war gerade pleite, und die Dealer in der Gegend akzeptieren kein Plastikgeld.«
»W o wir gerade davon sprechen, funktionieren Ihre Karten noch?«
»D as will ich doch hoffen; im Moment lebe ich davon.«
»D ann sind Sie jetzt – wie war noch gleich der Name?«
»O swald Hartridge-Wallis.«
»D a soll noch einer sagen, ich hätte keinen Humor. Haben Sie Sorge, die Polizei könnte nach Ihrem vorzeitigen Ableben die Verwendung Ihrer offiziellen Kreditkarte überwachen?«
»A llerdings.«
Harry hob eine Braue. »W arum das?«
»I ch glaube, die Polizei oder bestimmte Cops waren an der Tat beteiligt. Wenn ich mich nicht irre, hat zumindest ein Cop die Identifizierung der Leiche gedeckt. Und heute Morgen haben mich mehrere Typen in einem Van verfolgt, und die hatten ein Polizeifoto dabei. In der Lord’s Row hab ich sie abgehängt.«
Harry nickte, offenbar zufrieden mit Turners Ortswahl. »W o waren Sie, als Sie angeblich erschossen wurden?«
»I ch kam gerade von einem zweitägigen Aufenthalt in Philly zurück. Hab nach Gordon Parkhams Jungen gesucht. Im Motel hab ich die Nachrichten gesehen. Als ich losfuhr, hatten sie sich bereits auf meine Fährte gesetzt; weiß der Teufel, wie sie das angestellt haben. Ich vermute, meine Visa-Karte wurde überwacht – mit ein Grund, weshalb ich auf die Karten zurückgegriffen habe, die Sie mir gegeben haben.«
»V ielleicht hat ihnen der gute alte Gordon gesteckt, wo Sie sich aufgehalten haben.«
»D er war nicht informiert. Seit er mich beauftragt hat, seinen Sohn zu finden, hab ich nicht mehr mit ihm gesprochen.«
»S ie haben sich aus freien Stücken bereiterklärt, ihm einen Gefallen zu tun?« Als Harry Turners Gesichtsausdruck sah, lachte er. »N ein, das glaube ich nicht. Was hat der Mann gegen Sie in der Hand?«
Turner dachte an Grays grinsendes Gesicht. Der drahtige Australier mit der undefinierbaren Ausstrahlung eines Exmilitärs war einer der ersten Freunde, die Turner nach seiner Ankunft in Newport gefunden hatte. Gray war bei einem gemeinsamen Einsatz ums Leben gekommen, bei der Befreiung einer Geisel aus der Gewalt einer Bande äthiopischer Emigranten, die im
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