Das Areal: Thriller (German Edition)
waren geweitet, die Pupillen stecknadelgroß, und sie atmete stoßweise. Alle Muskeln waren angespannt.
»G anz ruhig«, sagte er, ohne sich zu bewegen. »I ch habe keine Ahnung, wer du bist, und will dir nichts tun. Als du geschlafen hast, hätte ich Gelegenheit dazu gehabt. Ich wollte nur, dass du aufwachst und nicht tot in meinem beschissenen Bad liegen bleibst.«
»J a, klar.« Ihre giftige Erwiderung vermochte ihre Angst nicht zu überspielen.
»G estern hat mir jemand in den Kopf geschossen, Kid. Heute Morgen habe ich einen Mann niedergeschlagen, der für die Bullen arbeitet, nachdem er mich mit ein paar Freunden verfolgt hat. Dann komme ich hierher, um herauszufinden, was der ganze Scheiß soll, und dass ich ein Mädchen mit einem Messer im Bad vorfinde, kann mich da wirklich nicht mehr erschüttern. Wenn du gehen willst, da ist die Tür. Wenn du lieber einen Kaffee trinken oder mir etwas erklären willst, auf dem Herd ist heißes Wasser, und der Kaffee ist im Schrank. Mir ist beides recht, aber entscheide dich schnell, damit ich mich endlich schlafen legen kann.«
Sie überlegte einen Moment. »M an sieht dir den Kopfschuss nicht an.«
»D ie haben den Falschen erwischt.«
»I st das deine Wohnung?«
»N icht direkt. Ein Bekannter hat mir die Adresse genannt, mir den Schlüssel gegeben und gemeint, ich könne eine Zeitlang hier wohnen. Wie bist du reingekommen?«
Sie zögerte, musterte Turner mit unstetem Blick, dann fasste sie anscheinend einen Entschluss. Vielleicht hatten sie seine Offenheit und seine furchtlose Gelassenheit beeindruckt. Sie schniefte, wischte sich mit dem Handrücken die Nase, klappte das Messer zu und steckte es ein. »D u hast was von Kaffee gesagt.«
Das Mädchen nannte sich Fantasma, der spanische Ausdruck für »G host«, Gespenst. In die Jacke hatte sie einen kleinen Rucksack gewickelt. Beides hängte sie über die Lehne eines Stuhls, der vor dem Esstisch stand. Er konnte nicht erkennen, wo genau sie das Messer versteckt hatte, aber die Jackentaschen waren ausgebeult. Ihr T-Shirt trug die verwaschene rote Aufschrift ZUM ABRISS FREIGEGEBEN , außerdem war sie mit einer löchrigen schwarzen Cargohose und Turnschuhen bekleidet. Sie stürzte den Kaffee hinunter, als hätte sie seit Tagen nichts mehr getrunken. Turner zündete eine Zigarette an und reichte sie ihr. Ghost winkte ab. Ihre Fingernägel waren schwarz, in den Hautfalten hatte sich Dreck abgelagert.
Er hatte in Paraguay mal mit einem Typen namens Diego Talavera zu tun gehabt; große Hände und ein zahnlückiges Lächeln. Sein halbwüchsiger Sohn war von zu Hause durchgebrannt. Turner war dabei gewesen, als Diego seinen Sohn gefunden hatte, und Ghost erinnerte ihn an den Jungen, an dessen dünnhäutigen Trotz und den Kern aus Angst und Heimweh. Diego war ein halbes Jahr später verschwunden, vermutlich von einer der Drogenbanden gekidnappt, gegen die Turner ermittelt hatte. Er hatte nie erfahren, ob auch seine Familie entführt wurde oder wie es ihr in Diegos Abwesenheit ergangen war. Der Mann war eine wertvolle Kraft gewesen, aber so lief das Spiel eben manchmal.
»D ein Freund sollte sich mal bessere Fenster zulegen, Turner. Die hier sind zu leicht aufzubrechen«, sagte Ghost durch einen blauen Dunstschleier hindurch. Der heiße Kaffee hatte sie anscheinend etwas beruhigt. Ihre Hände zitterten nicht mehr, und ihr Blick irrlichterte nicht mehr im Zimmer umher. »D as hat Dad mir beigebracht. Man kann die Verschlüsse mit einem Stück Pappe aufkriegen, wenn man weiß, wie man’s anstellen muss. Unsere Fenster hat er zugenagelt.«
»D as ist eine Möglichkeit. Aber wir befinden uns hier im ersten Stock.«
Kindlicher Stolz leuchtete in ihren Augen. »W enn die Wohnung im zweiten Stock läge, wäre ich vielleicht ins Schwitzen geraten.«
»H at dir das auch dein Dad beigebracht?«
»N ein«, sagte sie mit kaum verhohlener Trauer. Der Schmerz und die Angst reichten offenbar viel tiefer, als ihr selbst bewusst war. »D as hab ich mir selbst beigebracht. Wieso wollte man dich umbringen? Schuldest du jemandem Geld?«
Turner schüttelte den Kopf. »I ch habe keine Ahnung. Ebendeshalb bin ich hier. Ich konnte entweder im Areal oder bei den Cops anfangen, und das hier kam mir weniger gefährlich vor. Weshalb versteckst du dich in anderer Leute Bad?«
»A us dem gleichen Grund wie du.«
»W ollte dich jemand umbringen?«
»J a. Jedenfalls sucht man nach mir.«
»W ie kommt das?«
Sie senkte den Blick. »I ch hab
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