Das Areal: Thriller (German Edition)
macht ihr ihn bei der kleinsten Bewegung kalt«, fuhr er fort. »K ein Zögern. Wir haben alle gesehen, was von seinen Opfern übrig geblieben ist, und wollen schließlich nicht so enden wie die, verstanden?« Er hatte mit Blick auf Kate gesprochen.
»F alls wir Glück haben, ist er noch da und schläft«, sagte Knightly. »D ann kriegt der Scheißkerl erst mit, was los ist, wenn wir ihn in Handschellen zur Tür rausbugsieren.«
»F alls wir Glück haben.« White bekreuzigte sich.
Sie stiegen in die Fahrzeuge, und einen Moment später setzte sich die kleine Kolonne in Bewegung. Gemächlich und leise tuckerte der Van zwischen den anderen beiden Limousinen her. Kate beobachtete, wie er vor Knightlys V8 herfuhr. Die Pistole und das Handy, die sie aus dem Waffenarsenal ausgewählt hatte, drückten ihr gegen die Rippen. »W er erteilt hier eigentlich wem Anweisungen? Das hat mir noch keiner erklärt. Ich dachte, Sie wären Thornes Nummer zwei, aber jetzt hatte ich eher den Eindruck, White hat das Sagen.«
»I m Einsatz«, antwortete er. »W hite war mal bei den Special Forces, und das ist sein Ding. Wenn’s normal läuft, bin ich wohl der Chef, aber das kommt nicht häufig vor. Wie denn auch?«
Sie fuhren über die Brücke in das Areal hinein. Die Räder holperten über die mit Schlaglöchern übersäten Straßen. Die Hauswände waren mit Graffiti beschmiert, die Fenster mit Brettern verrammelt, zerlumpte Obdachlose und Junkies kauerten am Bordstein. Kate spürte, wie sich hinter der Mauer der Erschöpfung Anspannung aufbaute. Ihr leerer Magen knurrte.
»I m Handschuhfach ist ein Schokoriegel«, sagte Knightly. »B edienen Sie sich.«
»D anke.« Sie klappte das Fach auf und nahm den Schokoriegel heraus, wobei sie darauf achtete, nichts anderes anzufassen. Schob sich das Teil in den Mund und sagte: »W enn das Ihr Wagen ist, hätte ich da drin eher wochenalte Pizza oder einen angebissenen Hotdog erwartet.«
»S o was gibt’s bei mir nur in der Küche.«
»K üche? Ich dachte, Sie wohnen im Büro.«
Sie hielten vor Nicolas Wohnhaus, einem fünfstöckigen Gebäude im sowjetrussischen Betonlook, ein Monolith, dem jahrelanger Regen und Verzweiflung zugesetzt hatten. Kate überprüfte ihre Waffe, eine ungewohnte Glock, während White und Marquez eine stählerne Ramme aus dem Van hoben. Zu fünft betraten sie das schlafende Gebäude. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Gestalt im Dunkeln und spürte deren Zähne an ihrem Körper. Sie fröstelte.
Drei verdreckte Treppenabsätze hoch. Irgendwo weiter oben weinte ein Säugling. Ein Hund bellte. Abgesehen davon und vom Geräusch ihrer Schritte und Kates Herzschlag, der ihr in den Ohren dröhnte, war es still. Als sie vor der Wohnung standen, ließen Naylor und Knightly die Ramme gegen die Tür krachen. Sie löste sich aus den Angeln und kippte nach innen. White und Marquez stürmten in die Wohnung und riefen: »B undespolizei!« Schussfeld abdecken, sichern, Entwarnung geben.
Die Wohnung war klein und schmuddelig, aber aufgeräumt. Im Flur standen Schuhe, im Schrank waren Sachen von ihm und von ihr. In der Küche fanden sie einen schmutzigen Teller, zwei Becher und ein paar Kartons vom Chinaimbiss. Vielleicht ein paar Tage alt. Die Laken waren zerknautscht und kalt. Niemand zu Hause.
»S auber«, meldete Marquez aus dem Bad. »A lle ausgeflogen.«
White senkte seine Schrotflinte. Sagte: »W ir hätten Glück haben können. Wir untersuchen die Bude und ziehen ab. Vielleicht lassen sie sich ja wieder blicken.«
Kate ließ die anderen vier reden und schaute sich um. Im Bad war noch eine Zahnbürste, und in der Wohnung fanden sich so viele Besitztümer, die beiden gehört hatten, dass man wohl davon ausgehen konnte, dass sie wieder auftauchen würden. Es sei denn, dieser Eindruck war beabsichtigt. Kate hatte Mühe, Bayles Habseligkeiten mit der abgerissenen Gestalt in Verbindung zu bringen, der sie in der fraglichen Nacht begegnet war. Die Wohnung war ein Fenster in ein anderes Leben: Vergangenheit und Gegenwart dieses Mannes waren nicht miteinander vereinbar.
»I rgendwas entdeckt, Friedman?«, fragte White, als sie wieder zur Gruppe stieß.
»D a gibt es nichts zu entdecken. Was haben Sie erwartet, etwa eine Übersichtskarte mit Bayles Verstecken?«
White schnaubte. Ehe er eine Bemerkung machen konnte, verdrehte Knightly übertrieben die Augen und sagte: »O kay. Verschwinden wir. Ich brauche Kaffee.«
Wieder die Treppe runter. Von weiter oben blickten
Weitere Kostenlose Bücher