Das Arrangement
mit Rebecca anlegen, die als Assistentin weitaus besser war als Bret als Sohn. Sie musste nicht lange überlegen, wie sie sich entscheiden würde, sollte ihr jemand eine Korrektur des Schicksals anbieten. Dann hätte sie Bret seine Koffer packen lassen und Rebecca adoptiert.
“Ich brauche keinen Arzt”, sagte er. “Sie braucht einen – einen Psychiater, der sie in die geschlossene Anstalt einweist. Was wirst du mit ihr machen?”
“Ich regle das mit Rebecca.” Julia war sicher, dass er ihr längst nicht die ganze Geschichte erzählt hatte, aber die Einzelheiten würde sie sich von ihrer Assistentin selbst berichten lassen – und sie warnen, dass sie sich um Himmels willen von Bret fernhalten solle. Julia wollte sich gar nicht ausmalen, was Bret wohl getan haben musste, um Rebecca derart zu provozieren. Sie war immer so nett und darauf bedacht, alles richtig zu machen. Sie war so nett, dass es einem nach Julias Meinung schon fast auf die Nerven gehen konnte, und in letzter Zeit schien sie ständig überall ihre Nase reinzustecken. Doch trotzdem bezweifelte Julia nicht, dass Bret verdiente, was er bekommen hatte.
Einen Moment später hatte Julia die Praxis ihres Arztes am Telefon und einen Notfalltermin für den Nachmittag vereinbart.
“Wo ist deine Schwester?”, fragte sie, nachdem sie das Handy ausgeschaltet hatte.
“Woher soll ich das wissen? So wie sie herumschleicht, weiß ich ja nie, ob sie überhaupt im Haus ist. Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass sie bei dem Unfall einen Hirnschaden erlitten haben könnte? Sie ist ganz anders. Himmel, sie ist mir unheimlich, und dir scheint es noch nicht mal aufzufallen.”
Julia stopfte das Handy in die Tasche zurück. “Ich frage mich manchmal, was ich machen würde, wenn hier in der Familie einer den anderen unterstützt. Wahrscheinlich vor Schock sterben. Gibt es denn was Schöneres für eine Mutter, als zuzusehen, wie ihre Kinderchen sich im Sumpf von Feindseligkeit suhlen?”
“Vielleicht bräuchten wir bessere Vorbilder,
Mom.”
Julia war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihn umzubringen oder zu beschützen. Heute Morgen schien das Negative in ihr zu überwiegen. Er hasste sie, und in solchen Momenten wie diesen hasste sie ihn ebenfalls. Doch sie hatte sich immer um ihn gesorgt, sie konnte nicht anders. Trotz allem war er ihr Sohn, und die Blutsbande waren stark. Ihre Mutter hatte ihn auch angebetet, obwohl ihr klar gewesen war, dass es den finanziellen Ruin der Familie bedeutet hätte, ihm ein Erbe in Millionenhöhe anzuvertrauen.
“Ich muss Alison sprechen”, sagte sie. “Ich werde mit ihr und Rebecca heute Vormittag einkaufen gehen. Eigentlich wollte ich, dass wir unter uns bleiben, Mutter und Tochter, aber Rebecca war ganz scharf darauf mitzukommen.”
Julia nahm ihr Armband, legte es an und streckte die Hand aus, um es zu bewundern. Sie rückte ihren Ehering zurecht, sodass der Stein wieder gerade saß. “Meinst du, Rebecca könnte eifersüchtig auf Alison sein?”
Bret lachte laut auf. “Worauf soll sie denn da eifersüchtig sein? Rebecca will
mich.”
Julia warf ihrem Sohn einen strengen Blick zu. “Was willst du damit sagen?”
Er zuckte zusammen und presste sich die Bierflasche gegen den Kopf. “Sie will mich, aber sie kann mich nicht haben. Ich würde mich nie mit Personal einlassen. Was wollt ihr denn kaufen?”
Es war Julia nicht entgangen, dass er versuchte, das Thema zu wechseln, aber sie machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Offensichtlich konnte ja die
kleine
Rebecca ganz gut auf sich selbst aufpassen. “Seit wann muss ich denn was Bestimmtes wollen, um einkaufen zu gehen?”
Bret sah zur Terrassentür hinüber, und Julia folgte seinem Blick. Sie erschrak, als sie Alison dort an der offenen Tür in einem locker fallenden Bauernkleid stehen sah. Ihr Rock war nass, die Füße voller Sand und ihr Blick abwesend. Sie sah verloren aus und unglaublich schön, wie ein streunendes Kind mit einem aufregenden Körper.
Es tat Julia in der Seele weh. Was hätte sie darum gegeben, auch nur einmal in ihrem Leben so auszusehen. Alison war die Vollkommenheit, selbst wenn sie sich offensichtlich viel Mühe gab, einen anderen Eindruck zu machen.
Das arme Kind wirkte außerdem, als wolle es in die Arme genommen werden, und das sah Alison gar nicht ähnlich. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Julia, fast wie eine Vorahnung. Hatte Bret recht? Es war kaum vorstellbar, dass ihre pingelige Tochter am Strand
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