Das Arrangement
es ihr auffallen?
Die Antwort darauf wusste er. Er könnte sich direkt vor ihr im Wohnzimmer den Bauch aufschlitzen, und sie würde nicht mit der Wimper zucken, es sei denn, er beschmutzte dabei den Teppich. Wahrscheinlich war das genauso seine eigene Schuld wie ihre. Er hatte sie schon so lange verhöhnt, dass sie den Köder nun nicht mehr schlucken wollte. Er war wie eine Krankheit, und nach all den Jahren hatte sie nun ein Immunsystem dagegen entwickelt.
Er sank auf die wacklige Kante der Hängematte, die nackten Füße auf dem Boden, und schüttelte heftig den Kopf. Das würde sein blondes Haar so wunderbar unordentlich aussehen lassen. Er gab sich jede Mühe, möglichst schmuddelig und verwahrlost auszusehen, doch leider war er genauso makellos wie sie. Ihre Familie war eine regelrechte Ralph-Lauren-Werbung, und nur er schien zu wissen, wie hässlich die Realität sein konnte.
Die Haken der Hängematte knarrten unter seinem Gewicht. Das war wirklich absurd. Er war ein Vierteljahrhundert alt. Langsam sollte er sich zusammenreißen, seine Sachen packen und sehen, dass er dieses Haus endgültig verließ. Er vergammelte hier. Die Fliegen kreisten schon um seinen Kopf.
“Verdammter Mist.” Er stöhnte gleichzeitig wütend und hilflos, ließ sich in das Netz zurückfallen und starrte durch die Äste des Baums in den wolkenlosen blauen Himmel. Ja, er sollte abhauen, aber wie konnte er das ausgerechnet jetzt machen, wo seine Schwester auftauchte? Er hegte bezüglich ihrer Motive genauso viel Misstrauen wie seiner Mutter gegenüber. Abgesehen vom Aussehen hatten er und seine Schwester einiges gemeinsam. Es gab immer irgendwas, das sie wollten, immer stand etwas auf der Tagesordnung. Und dann war da ihr Ehemann. Bret hatte Andrew Villard nur verteidigt, um seine Mutter zu nerven.
Er wollte nach seinem Glas Eiskaffee greifen und stellte fest, dass es umgekippt war. Das Gras würde wohl entweder durch das viele Koffein einen Wachstumsschub erleben oder morgen abgestorben sein. Er nahm das Glas und drehte es in den Händen, während seine Gedanken umherschweiften. Ja, seine Mutter konnte sich darauf verlassen, dass er hier war. Die Möglichkeiten, die sich durch Alisons Besuch hier auftaten, waren einfach zu gut, um sie sich entgehen zu lassen.
“Alison, der Wagen ist da. Bist du so weit?”
Andrews Stimme kam vom Ende des Flurs. Sie stand in Unterwäsche vor ihrem Ankleidespiegel – in weißem Spitzenmieder und einem Slip, der merkwürdig fremd an ihrem schlanken Körper wirkte.
Sie betrachtete ihr Ebenbild, versuchte sich vorzustellen, wie sie von ihrer Familie aufgenommen werden würde, wo sie sich selbst kaum ansehen konnte. Die Chirurgen hatten ein Wunder vollbracht. Alle Narben waren geschickt verborgen, und ihre Gesichtszüge sahen bemerkenswert natürlich aus, obwohl einige Stellen ihrer Haut sich noch immer taub und abgestorben anfühlten. Ihr Lächeln stimmte irgendwie nicht, aber sie lächelte sowieso selten.
Sie fuhr sich mit dem Finger über den Nasenrücken und die glänzenden Lippen, versuchte sich mit dem Bild, das sie da sah, anzufreunden. Es war fast unheimlich, wie sehr sie der Frau auf den Schnappschüssen ähnelte, die Andrew den Ärzten gegeben hatte. Nur war alles eine Illusion. Sie war aus so vielen unterschiedlichen Teilen zusammengenäht worden, dass sie sich kaum wie eine vollständige Person fühlte.
Außenstehende mochten sie vielleicht schön finden, doch sie selbst empfand sich eher als eine Art weiblicher Frankenstein. Im Dunkel der Nacht fühlte sie sich oft wie eine Missgeburt, und manchmal sah ihr Ehemann sie an, als wäre sie genau das.
“Alison?”, rief er wieder. “Kann ich den Fahrer nach oben schicken, damit er die Koffer holt?”
Sie war nicht angekleidet, und die Koffer lagen auf dem Boden, leer. Sie hatte den Versuch zu packen vor einer Stunde aufgegeben und gehofft, wenn sie eine Pause einlegte, sich anzog und fertig machte, würde sie anschließend in der Lage sein, es zu Ende zu bringen. Diese ganze Reise wuchs ihr über den Kopf. Sie wusste nicht einmal, welche Sachen sie mitnehmen sollte.
Sie hörte, wie jemand den Flur entlangkam, und war doch unfähig, sich zu bewegen. Sie berührte das Bettelarmband, den Pennyring.
Sieh zu, dass du dich anziehst. Bedeck dich irgendwie.
In ihrem begehbaren Schrank befanden sich Stangen voller schöner Kleider, aber sie hingen an ihrem überschlanken Körper wie Säcke. Nicht einmal die Schuhe passten richtig. Sie
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