Das Arrangement
Beweggründe waren sicher andere gewesen als seine.
Sie hatte nicht geplant, das Bett mit ihm zu teilen. Doch noch viel weniger hatte sie erwartet, ihn plötzlich als edlen Ritter zu erleben, der sie vor ihrer großen bösen Familie beschützte. Sie war ihm dankbar, und das war das Problem. Die positiven Empfindungen begannen die negativen zu überwiegen und es fiel ihr zunehmend schwerer, ihre Gefühle im Zaum zu halten.
Anziehungskraft? Ja. Und wie.
Sie berührte ihr Gesicht und spürte wieder diese vertraute Hitze aufsteigen. Glücklicherweise war es dunkel. Niemand konnte es sehen. Niemand hörte, wie ihr das Blut durch die Adern rauschte. Niemand sah, dass sie Probleme hatte, zu schlucken.
Niemand kannte ihre erbärmlichen kleinen Geheimnisse.
Beide schliefen unruhig, und es war wohl nicht zu verhindern, dass sie sich irgendwann berührten. Als es passierte, war es aus Versehen. Alison strich mit ihrer Hand über seinen Arm. Er rollte sich zu ihr herum, und sie öffneten gleichzeitig die Augen.
Sie wusste sofort, was passieren würde. Und wenn man seinem stockenden Atem trauen durfte, wusste er es auch. Es war im Dunkel der Nacht, und niemand würde es erfahren. Vielleicht würden sie selbst auch so tun, als wüssten sie nicht, dass sie im Begriff waren, noch einen Schritt weiter zu gehen, viel weiter.
Es war dunkel. Ein Traum. Es zählte nicht.
Er rutschte zu ihr hinüber, und sie kam näher zu ihm. Er schob die Hand unter ihren Rücken und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Diese Geste, dieser erste Kuss nahm sie vollkommen ein. Er war angefüllt mit Zärtlichkeit und Wärme und er schmeckte köstlich, nach Wein.
Ein Seufzen aus Andrews Kehle besiegelte es, von hier aus gab es keine Rückkehr mehr. War es Lust oder Qual?
Sein Schenkel presste sich an ihren. Eine Hand lag auf ihrer Brust. Jede Berührung war so neu und aufregend. Sie war hin- und hergerissen zwischen Bedenken und Verlangen. Sie wollte überwältigt werden, in Besitz genommen, ihn in sich spüren. Bitte.
Ihr Magen zog sich vor Aufregung zusammen. Sie bemerkte plötzlich, dass sie mit den Fingernägeln über seinen Rücken kratzte und die Hände in seinem Haar vergrub. Sie wollte, dass er Respekt vor ihr hatte, so wie sie für ihn. Doch sie traute ihm nicht – oder der Situation, in der sie sich befanden. Das hier war nicht nur einfach ein Kuss im Dunklen. Es war ein Akt der Verzweiflung, eine Kapitulation, und er hatte bereits viel zu viel Macht über sie.
Er beugte sich erneut über sie. Sie spürte die Hitze seines Atems, hörte das laute Pochen seines Herzens, doch dann zögerte er, kurz bevor sich ihre Lippen erneut trafen.
“Was ist?”, flüsterte sie.
“Das wollte ich nicht”, erwiderte er leise. “Es kommt nicht wieder vor.”
Er wandte sich ab und setzte sich auf seiner Seite auf die Bettkante. Alison fühlte sich benommen und enttäuscht. Sie konnte auch nicht so tun, als empfände sie anders. Woher nahm er diese Willenskraft? Und wen hatte er geküsst? Die Frau, die er geheiratet hatte, oder die, die durch die plastischen Operationen verändert worden war? Das wollte sie unbedingt wissen. Sie sagte sich immer wieder, dass es besser war, diesen Schritt nicht zu tun, sicherer. Es gab ohnehin schon zu viele Konflikte und Missverständnisse zwischen ihnen.
Sie war sich wohl bewusst, dass es Momente gab, in denen er ihren Anblick nicht ertragen konnte, vielleicht wie jetzt gerade. Und es gab Momente, in denen sie wünschte, er würde sie nicht ansehen, weil sie in seinen Augen Misstrauen, ja sogar Abscheu erkannte. Wann hatte er angefangen, sie zu hassen? Oder war das schon immer der Fall gewesen?
Sie rollte sich herum, weg von ihm. Die Mauer zwischen ihnen war unüberwindbar, aber sie wusste genau, sie würde nun nicht mehr schlafen können. Sie würde keine Ruhe finden. Glücklicherweise hatte sie die Tabletten mitgebracht, sie musste etwas unternehmen, um die ungewohnte und schmerzliche Gegenwart ihres Bettpartners zu vergessen.
Alison hörte das Klingeln, als sie gerade durch das Strandhaus schlich und sich fragte, wo sie wohl die anderen an diesem nebligen Julimorgen finden würde. Andrew war vor einiger Zeit hinausgegangen, um einen Spaziergang am Strand zu machen. Er hatte sie nicht gefragt, ob sie ihn begleiten wollte, und sie hätte es nie von selbst vorgeschlagen. Sie war immer noch wegen der Zurückweisung der vergangenen Nacht durcheinander. Es hatte kein Gespräch gegeben, um sein Verhalten zu
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