Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
ertönte ein leises Stöhnen gleich hinter der Tür. Dort lag auf einem schmalen, schief zusammengenagelten Holzgestell, das kaum Bett genannt werden konnte, der Bettelzwerg in sich verkrümmt wie ein Wurm. Dem Herrgott sei Dank: So ganz sterbenskrank sah er nicht aus.
    «Dieser Bannwart hätte hier wenigstens das Gröbste wegputzen können», schimpfte Grethe, während sie mit zwei großen Schritten die winzige Hütte durchmaß und das einzige Fensterchen weit aufstieß. Mit dem Durchzug zwischen Fenster und Tür wurde der Gestank augenblicklich erträglicher.
    Serafina war ans Bett getreten, an dessen Fußende verdreckte Kleidungsstücke auf dem Boden lagen.
    «Was machst du nur für Sachen?»
    Als Barnabas seine Besucherinnen erkannte, zog er sich verschämt die löchrige Decke bis über den Kopf.
    «So hoher Besuch und so viel Schmutz in meinem Reich», jammerte er durch den Wollstoff hindurch.
    «Jetzt lass die Kirche mal im Dorf, Barnabas, und sag uns, was mit dir ist.»
    Sanft wie bei einem Kind zog Serafina ihm die Decke vom Kopf. Immerhin war sein Bettzeug sauber geblieben.
    «Hab mich bei den ersten Pilzen im Wald wohl vertan in meiner Auswahl. Meine Stunde ist gekommen.»
    «Papperlapapp!» Grethe stand mit einem Ledereimer in der Hand neben dem Bett. «So schnell stirbt man nicht. Wie oft hast du dich erbrochen?»
    Barnabas hob vier Finger in die Höhe.
    «Na also. Dann ist das meiste draußen. Ich jedenfalls hol jetzt Wasser vom Bach und mach den Fußboden sauber. Serafina gibt dir die Arznei, und dann wird’s bald besser mit deinem Bauch.»
    Mit der Fußspitze schob sie den Kleiderhaufen zur Tür hinaus.
    «Das hier schmeiß ich gleich mit in den Bach.»
    Keine halbe Stunde später waren Dreck und Gestank aus der Hütte verschwunden, und Barnabas lag in einem sauberen kurzen Leinenhemd, das sie ihm wohlweislich mitgebracht hatten, auf dem Bett. Brav hatte er den bitteren Aufguss aus Brennnessel, Beifuß und Schöllkraut bis zum letzten Tropfen ausgetrunken.
    «Bin gesund», verkündete er und schielte begierig auf das Brot im Korb. Doch seine noch immer leichenblasse Gesichtsfarbe und die rotgeränderten Augen straften seine Worte Lügen.
    «Nichts da.» Serafina hob warnend den Zeigefinger. «Bis zum Abend solltest du warten mit dem ersten Bissen. Solange nimmst du nur von dem verdünnten Wein zu dir.»
    Jetzt erst fand sie die Ruhe, sich genauer umzusehen. Der Fußboden war aus festgestampftem Lehm, die Ritzen in den Bretterwänden waren mit Moos ausgestopft. Das niedrige, strohgedeckte Dach erlaubte einem erwachsenen Menschen gerade mal unter dem First aufrecht zu stehen und machte nicht den Anschein, als würde es einem starken Regenguss standhalten. An der Rückwand war auf halber Höhe ein Bretterboden eingezogen, auf dem Barnabas allerlei Gerätschaften aufbewahrte. Dort hatte Grethe auch Ledereimer und Strohbesen gefunden. Außer dem Bett fand sich als Einrichtung nur noch eine Holzbank rechts der Tür. Diese Bank indessen war über und über mit seltsamen Dingen bedeckt: mit Bruchstücken von Glas und bunten Plättchen, mit Knöchelchen, die so blank poliert waren, dass sie wie Elfenbein glänzten, mit glitzernden Messingknöpfen, absonderlich geformten Wurzeln, hübschen Vogelfedern, farbigen Stoff- und Garnresten und vielem mehr an Dingen, an denen die meisten Menschen achtlos vorübergehen würden. Ein Zwerg wie Barnabas aber hatte die Augen näher am Boden.
    Wie eine diebische Elster, dachte Serafina, die alles sammelt, was glänzt und funkelt.
    «Da wunderst dich, was?» Barnabas hatte ihre Blicke bemerkt. «Das sind die Schätze von König Barnabas.»
    Grethe schob einen Teil seiner Kostbarkeiten vorsichtig zur Seite und stellte Brotlaib und Weinschlauch dazu.
    «Jetzt sollte König Barnabas nur einmal herzhaft scheißen können, dann wär er auch wieder ganz gesund.» Sie lachte. «Sollen wir heut noch mal nach dir sehen?»
    «In meiner Burg zu jeder Zeit, sind schöne Frau’n mir eine Freud.»
    Serafina zog ihn an seinem strohgelben Haar. «Ich denk, das braucht’s nicht mehr. Du bist schon wieder obenauf. Aber bleib für heut noch im Bett liegen.»
    «Halt, wartet, ihr beiden.» Er wälzte sich aus dem Bett und tippelte zur Bank. «Ich will euch was schenken von meinem Schatz. Etwas, das zu euch passt.»
    Sein Zeigefinger kreiste über den Schmuckstücken, bis er ein herzförmiges, ausnehmend schön gemasertes Holzstück herausfischte. «Das Herzstück meiner Sammlung ist für die

Weitere Kostenlose Bücher